„Die Politik verändert ein funktionierendes System“
INTERVIEW VON ALEXANDER VON SCHMETTOW
Der BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff erklärt, warum sich die Zustellung von gedruckten Zeitungen so deutlich verteuert hat und was der Branchenverband nun von der Politik fordert.
Der BDZV spricht derzeit intensiv mit Politikern über eine zukunftsfähige Infrastruktur für die Zustellung gedruckter Zeitungen. Was hat die Politik damit zu tun?
Dietmar Wolff: Sehr viel: Die Politik hat in ein funktionierendes Vertriebssyssem der Zeitungsverlage eingegriffen und dieses entscheidend verändert. Es waren politische Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren zu einer deutlichen Verteuerung der Zustellung von gedruckten Zeitungen beigetragen haben.
Was hat sich denn konkret geändert?
Früher wurde der Zusteller pro ausgetragenes Stück bezahlt. Heute erhält der Zusteller für dieselbe Strecke einen festen Lohn pro Stunde – unabhängig von der Stückzahl. Einen Einfluss auf die Höhe des Mindestlohns haben die Verleger nicht. Da die Auflagenzahlen beständig sinken, gehen die Zustellkosten pro Stück rasant in die Höhe. Einschließlich des Bürokratieaufwands macht dies jährlich Mehrkosten von rund 400 Mio. Euro aus.
Was sagen Sie den Politikern?
Es ist viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Kaum jemand außerhalb der Branche kann sich die Komplexität der Verlagslogistik vorstellen. Die Zeitungsverlage haben rund 100.000 eigene Zusteller – überwiegend angestellt als geringfügig Beschäftigte. Bei den Anzeigenblättern, die mehrheitlich ebenfalls im Besitz der Zeitungsverlage sind, reden wir von weiteren über 180.000 Austrägerinnen und Austrägern.
100.000 Menschen, die jede Nacht unterwegs sind?
Genau – 100.000 Menschen, die dafür sorgen, dass die Bürger morgens hochwertigen Journalismus auf Papier zugestellt bekommen. Trotz vorhandener elektronischer Angebote bestehen die-se Leser auf eine gedruckte Zeitung.
Branchenbericht BDZV 2019 "Zeitungszahlen"
Dieser Beitrag ist erschien im Branchenbericht des BDZV "Zeitungszahlen"
Ausgabe 2019 (S. 6-9)
Warum ist der Anteil gedruckter Zeitungen bei den Lesern immer noch so hoch?
Aus ganz unterschiedlichen Gründen. Zum Teil aus Gewohnheit, insbeson-dere bei der Gruppe der älteren Leser, oder weil die digitale Netzversorgung unbefriedigend oder vielleicht auch gar nicht vorhanden ist. Wenn Sie bei-spielsweise auf dem Land keine aus-reichende Breitbandversorgung haben, macht es wenig Spaß, sich größere Da-teien erst einmal mühsam herunter-laden zu müssen. Welche Gründe die Leser auch immer haben: Die Verlage müssen sich letztendlich an den Be-dürfnissen der Kunden ausrichten und können den Lesern ja nicht vorschrei-ben, auf welchem Wege sie ihre Infor-mationen erhalten sollen.
Ohne Zusteller wären manche Gebiete von den gedruckten Informationen abgeschnitten?
Sicherlich. Und übrigens nicht nur in dünn besiedelten Gebieten, das gilt auch für die Ballungszentren. In der Konsequenz wären diese Bürger von der für die Demokratie wichtigen öffentlichen Meinungsbildung abgeschnitten. Zeitungszusteller sind daher Demokratie-Verstärker. Heute ist das wichtiger denn je!
Wie aufwändig ist denn die tägliche Zeitungszustellung? Können Sie das mit Zahlen verdeutlichen?
Ich kann das beispielhaft an einem Verlag deutlich machen, der täglich rund 90.000 Zeitungsexemplare durch 1.100 Zusteller an die Abonnenten verteilen lässt. Die enorme Dimension wird nun deutlich, wenn wir berücksichtigen, dass die gesamte Branche jeden Tag über 10 Mio. Zeitungsexemplare durch 100.000 Zusteller verteilt.
Bei der hohen Beschäftigtenzahl dürften die Personalkosten wohl auch den größten Kostenanteil abbilden?
Bei der Zustellung handelt es sich um den Bereich mit den weitaus größten Fixkosten im Personalbereich der Verlage. Auf diese Kosten haben die Verleger selbst aber keinen Einfluss – die werden von einer gesetzlich eingesetzten Kommission festgelegt. Die Mindestlohnkommission interessiert im Übrigen nicht, wie personalintensiv die jeweiligen Branchen sind. Hinzu kommen Nachtzuschläge, die gerade in jüngster Zeit in ihrer Höhe von den Gerichten festgelegt wurden. Also werden auch hier die Kosten von Dritten bestimmt und sind nicht verhandelbar.
Was fordern Sie konkret von der Bundesregierung?
Es geht uns um eine Kompensation. Die staatlichen Eingriffe mögen zwar aus übergeordneten politischen Gründen erforderlich gewesen sein. Aber sie hatten auch wettbewerbsschädliche Wirkungen. Dieser nicht unerhebliche Kollateralschaden muss nun repariert werden. Das sind im Übrigen auch keine Subventionen, sondern die Wiederherstellung von Wettbewerbsbedingungen.