Mit Journalismus lassen sich viele Leben leben
Von Bascha Mika
»Tiefe Liebe ist eine Lebensfreundschaft. Man wird Teil des anderen.« Diese Liebeserklärung machte Klaus Harpprecht einst seiner Frau, Renate Lasker-Harpprecht. Etwas Ähnliches hätte er auch über den Journalismus sagen können. Es muss schon etwas wie Liebe sein, das einen Menschen über sechzig Jahre an seine Arbeit bindet. Der Journalismus und Klaus Harpprecht gehören einfach zusammen. Die Geschichte der Nachkriegs-Publizistik lässt sich ohne seinen Teil nicht erzählen, beide sind untrennbar miteinander verknüpft. Schließlich gehört Klaus Harpprecht zur Gründergeneration der westdeutschen Publizistik.
Das schwäbische Pfarrhaus seiner Eltern, in dem er Haltung und Standfestigkeit lernt, dann der Krieg. 1943 wurde Klaus Harpprecht wie viele seiner Altersgruppe gezwungen, Nazi-Deutschland zu verteidigen, als es schon nichts mehr zu verteidigen gab, zunächst als Flakhelfer, dann als Soldat. Es war diese Generation, die sich anschließend aufmachte, die neue Republik aufzubauen – und eine Publizistik, die ihren Namen verdient. Klaus Harpprecht gehört zu der Handvoll politischer Journalisten, die dem Land nach 1945 ihren Stempel aufdrückte.
Seine Karriere startete er 1947, da war er gerade mal zwanzig Jahre alt, beim Wochenblatt Christ und Welt. Dort lernte er alles, was man zum Zeitungmachen braucht. 1954 kam das Radio hinzu, 1960 das Fernsehen – Rias, SFB, WDR, ZDF. Er wurde Leiter des Fischer-Verlags, Herausgeber der Zeitschrift Der Monat, war ein Jahr lang Chef von Geo.
Mit Journalismus lassen sich viele Leben leben, hat Klaus Harpprecht manchmal gesagt. Er hat sie fast alle genutzt. Als Autor und Redakteur, als Chefre dakteur, Verleger und Herausgeber, als Kulturkorrespondent in Frankreich und den USA. Es gibt kaum publizistische Bereiche, in denen sich dieser Mann nicht erfolgreich bewährt hat. Irgendwann kam auch die Schriftstellerei dazu, seine außergewöhnliche Thomas Mann-Biographie, ein in jeder Hinsicht monumentales Werk, sei hier nur stellvertretend erwähnt. Und dann war da noch seine Zeit im Kanzleramt, als Leiter der Schreibstube von Willy Brandt. Er war nicht nur Brandts Berater und Redenschreiber, er war auch sein Freund. Wieder so eine Sache fürs Leben.
Über sechzig Jahre ist der Journalist Klaus Harpprecht inzwischen im Job – und er macht einfach immer weiter. Weltpolitischer Überblick, Urteilskraft, stupendes Wissen und luzide Einsichten zeichnen seine Texte aus. Dass sie glänzend geschrieben sind und brillant formuliert, versteht sich von selbst. Ob aktuelle Analyse oder weltgeschichtliche Betrachtung, ob Parteipolitik oder Medienentwicklung, ob Kommentar oder Glosse – Klaus Harpprecht ist eine journalistische Allzweckwaffe. Der kämpferische Begriff ist durchaus angebracht. Denn dieser Autor bevorzugt die scharfe Klinge, wenn er mit Worten ficht. Streitlustig, wagemutig, direkt: Angesichts des reifen Alters ist sein Empörungspotenzial nicht nur erstaunlich, sondern regelrecht herzerfrischend. Wahrscheinlich ist es das, was ihn so lebendig und jugendlich hält.
Klaus Harpprecht betrachtet die Entwicklung der Medienlandschaft sehr skeptisch, wahlweise wütend. Die Konzentration auf dem Printmarkt, den ökonomischen Druck, der auch auf renommierten Blättern lastet, den fehlenden publizistischen Mut bei Herausgebern und Chefredakteuren. Und keineswegs scheut er dabei deutliche Worte, auch nicht gegenüber den Großen der Branche. Ganz gewiss ist er dabei in seinem Urteil nicht immer gerecht – welcher Journalist ist das schon? Aber immer zeigt er Haltung und Mut. Eigenschaften, die im Geschäft mit der Öffentlichkeit zunehmend schwer zu finden sind.
1966 erhielt der Autor Klaus Harpprecht den Theodor-Wolff-Preis für einen herausragenden Text. In diesem Jahr bekommt er den Preis ein weiteres Mal: Für seine jahrzehntelangen Verdienste in der deutschen Publizistik, für seine beispiellose journalistische Arbeit, für seine intellektuelle Durchdringungskraft und sein brillantes sprachliches Können verleiht der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Klaus Harpprecht für sein Lebenswerk den Theodor-Wolff-Preis 2011.