Patrick Bauer
Kurzbiographie des Autors
wurde 1983 in Stuttgart geboren, wuchs aber in Berlin auf, wo er die Berliner Journalisten-Schule besuchte. Er schrieb als Reporter für den Tagesspiegel und die taz ehe er 2006 zum Magazin Neon nach München wechselte. Im Jahr 2012 wurde Bauer Chefredakteur von Neon und Nido. Seit 2014 ist er Autor des Magazins der Süddeutschen Zeitung. 2015 wurde er mit dem Hansel-Mieth-Preis ausgezeichnet. Im selben Jahr erschien sein Roman „Der Anfang am Ende der Welt“ (Rowohlt), bereits 2011 war das Sachbuch „Die Parallelklasse“ (Luchterhand) veröffentlich worden.
Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Ich las zufällig die Meldung, dass eine Elefantenkuh namens Bibi den Zoo von Halle an der Saale verlassen müsse, nachdem sie dort in den Jahren zuvor zwei Mal unmittelbar nach der Geburt ihren Nachwuchs getötet hatte. Mich bewegte zunächst – ganz persönlich, weniger beruflich – die Frage: Warum greift eine Elefantenmutter ihr Neugeborenes an? Ich lernte, dass die Antwort nicht nur, aber doch sehr viel mit der Haltung dieser faszinierenden Tiere zu tun hat. So entstand die Idee, anhand des Schicksals eines einzelnen Zoo-Elefanten mehr über unseren Umgang mit Elefanten im Allgemeinen und über den aktuellen Stand der Forschung zu deren Verhalten und Emotionen erzählen zu können. Meine Recherche begann dort, wo Bibis Leben als Zoo-Elefant in den 1980er Jahren begonnen hatte: Im Tierpark Berlin. Und sie endete – nach mehreren Besuchen – dort, wo Bibi bei Erscheinen des Artikels noch lebte: Im Zoo von Halle. Durch die Dokumente, auf die ich während des halben Jahres dazwischen stieß, und durch Hinweise, die ich von diversen Tierpflegern und Tierschützern und Wissenschaftlern bekam, mit denen ich Interviews führte, konnte ich auch Bibis Weg nach Deutschland rekonstruieren und sowohl den Tierhändler, der sie einst in die DDR importiert hatte als auch den Safarijäger, der sie damals in Simbabwe gefangen hatte, ausfindig machen und sprechen.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Ich hatte noch nie so ausführlich über jemanden geschrieben, von dem ich keine Antworten auf meine Fragen bekommen kann. Wie porträtiert man ein Tier? Und wie vermeide ich, dieses Lebewesen zu vermenschlichen? Ich war umso mehr darauf angewiesen, mir Bibi und ihre Art von Experten schildern zu lassen, die sie sehr lange und gut studiert haben. Das Schöne war: Auch diese Menschen, die von Bibi berichteten, hatten besondere Biografien. Die Rolle und das Selbstbild der Elefantenpfleger in der DDR waren beispielsweise sehr speziell. Ich merkte, dass die Geschichte von Bibi nicht zu erzählen ist ohne die Menschen, die sie begleitet haben. Dass diese Menschen ein wichtiger Teil von Bibis Geschichte waren.
Von wem und/oder wie wurden Sie dabei unterstützt?
Die Redaktion des SZ-Magazins hat es mir – ein weiteres Mal – ermöglicht, derart ausführlich, zeitintensiv und mit einigen Reisen verbunden zu recherchieren und zu schreiben. Das weiß ich immer sehr zu schätzen. Ohne die Unterstützung der Leitung und der Mitarbeiter des Tierparks Berlin und des Bergzoos in Halle an der Saale hätte ich darüber hinaus Bibis Leben nie nachzeichnen können. In beiden Zoos vertraute man mir, dass ich zwar kritisch, aber transparent und im Sinne einer Lösung des Falls über die Haltung dieses Tieres und über die allgemeine Entwicklung der Elefantenhaltung berichten würde – und öffnete die Archive und sprach sehr offen. Das war eine gute Erfahrung. Viele wichtige Hintergründe erhielt ich zudem von Olaf Töffels vom „Verein Elefanten-Schutz Europa“ sowie von Frank Albrecht von der Organisation „EndZoo“; zwei Tierrechtler, die sehr unterschiedliche Ansätze verfolgen. Das war für mich ohnehin beeindruckend: Die Menschen, die sich mit Bibi beschäftigen, trennt in der Einstellung sehr viel, aber was sie alle eint ist eine sehr große, fast schon zärtliche Zuneigung zu diesem Elefanten.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Unabhängigkeit. Unerschrockenheit. Genauigkeit. Kreativität.
Was braucht ein herausragender Artikel?
Eine herausragende Geschichte. Oder eine herausragende Idee, eine bekannte Geschichte zu erzählen. Und ich finde, ein herausragender Artikel muss nicht immer so tun, als könne er die Welt final erklären. Er darf Ungewissheit beinhalten. Lieber werde ich als Leser mit guten Fragen entlassen als mit Antworten, die nur gut klingen.
Was erwarten Sie von der Preisverleihung am 20. Juni in Berlin?
Ich freue mich, großartige Kollegen kennen zu lernen, deren Texte ich bereits kenne. Und auf eine Feier von aufwendigem, ernsthaftem Journalismus. Den kann man gar nicht oft genug feiern.