Julia Schaaf
Kurzbiographie der Preisträgerin in der Kategorie Meinung überregional
1971 in Frankfurt/Main geboren, hat als Neuntklässlerin schon eine Schülerzeitung mitgegründet, als Studentin erste Erfahrungen bei Lokalzeitungen gesammelt und schließlich bei der Stuttgarter Zeitung volontiert. Sie studierte Kulturanthropologie und Soziologie in Frankfurt und Edinburgh, außerdem lebte sie eine Zeit lang in Italien. Sie ist Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes. Seit Gründung der überregionalen Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung im Herbst 2001 arbeitet sie für das Ressort „Leben“, das damals noch „Gesellschaft“ hieß und damit genau das bündelt, was sie immer am meisten interessiert hat: die Frage, wie Menschen ihren Alltag und ihr Miteinander gestalten und mit Sinn erfüllen. 2007 zog sie nach Berlin, wo sie mit ihrem Mann und zwei Kindern lebt. 2016 wurde sie politische Redakteurin der F.A.Z.
Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Am Anfang war Ärger. Im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, meiner Zeitung also, hatte eine Kollegin einen Text veröffentlicht, der berufstätigen Müttern die Verantwortung dafür zuschob, dass Frauen so selten in gesellschaftliche Schlüsselpositionen gelangen. Tenor: Wer so unvernünftig ist, sein Potential zu verschleudern und Teilzeit zu arbeiten, braucht sich nicht über Geschlechterungerechtigkeiten zu wundern. Ich fühlte mich angegriffen. Nicht, dass ich mein Lebensmodell idealisieren würde. Aber aus Doofheit, Bequemlichkeit oder mangelndem Mut war es bestimmt nicht dazu gekommen.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Ich finde es immer schwierig, wenn Journalisten die eigene Erfahrung so wichtig nehmen, dass sie daraus Erkenntnisse für den Rest der Welt ableiten. Außerdem sehe ich mich normalerweise viel mehr als Reporterin denn als Kritikerin, Kommentatorin oder Essayistin. Bei diesem Thema jedoch hatte ich plötzlich das Gefühl, dass die Ergebnisse ungezählter Recherchen zum Thema Vereinbarkeit mit meinen eigenen Erfahrungen als berufstätiger Mutter verschmolzen.
Von wem wie wurden Sie dabei unterstützt?
Am wichtigsten war die geschätzte Kollegin aus dem Wirtschaftsteil, die ich zufällig morgens auf dem Redaktionsflur traf. Als ich ihr erzählte, ich würde vor lauter Ärger über ihren Text am liebsten ein Gegenpamphlet schreiben, ermunterte sie mich sehr: Eine solche Debatte stehe doch sowohl unserer Zeitung als auch der Gesellschaft gut zu Gesicht.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Neugier und die Lust, wirklich etwas herauszufinden. Respekt vor dem Gegenüber. Die Demut, als Autor oder Autorin hinter dem eigenen Gegenstand zurückzutreten.
Was braucht ein herausragender Artikel?
Ich liebe Texte, die mich klüger machen, vielleicht sogar, ohne dass ich es auf Anhieb merke, weil ich so gebannt und berührt am Lesen bin.