Katrin Langhans
Kurzbiographie der Preisträgerin in der Kategorie Thema des Jahres 2020: „Klimawandel“
Jahrgang 1987, recherchiert Geschichten mit den Schwerpunkten Umwelt, Medizin und Sozialrecht. Nach ihrem Volontariat bei der Süddeutschen Zeitung arbeitete sie dort vier Jahre im Ressort Investigative Recherche. Sie leitete für die SZ internationale, preisgekrönte Recherchen zur Weltbank und zu Medizinprodukten. Katrin Langhans wurde als Teil des Teams, das die Panama Papers und die Paradise Papers enthüllte, mit dem Nannen Preis und dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet. 2019 veröffentlichte sie als Co-Autorin das Buch „Gefahr im Körper – Das riskante Geschäft mit der Gesundheit“. Sie gehört zum pädagogischen Leitungsteam der Reportageschule Reutlingen und lehrt „Investigative Recherche“.
Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Am Anfang der Kuhgeschichte stand das Schwein. Ich bin auf eine Studie gestoßen, in der es hieß, dass eines von fünf Schweinen stirbt, bevor es zum Schlachter kommt. Nicht alle sterben eines natürlichen Todes. Ein großer Teil dieser Schweine war krank und hat vor seinem Tod an schweren Schmerzen gelitten. Für Kühe gibt es keine vergleichbare, bundesweite Auswertung in Deutschland. Also habe ich mich selbst auf die Suche begeben. Ich bin der Frage nachgegangen, wie gut es der deutschen Milchkuh eigentlich geht.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Kühe sind geduldig, ausdauernd, manchmal auch bockig, aber sie reden nicht. Eine Kuh hält viel aus und erträgt viele Krankheiten, ohne Laute von sich zu geben – ganz anders als das Schwein, das oft panisch grunzt und quiekt, wenn es Angst oder Schmerzen verspürt. Ich habe mir Expertenwissen angelesen und Interviews mit Wissenschaftlern, Landwirten und Behördenmitarbeitern geführt, um Daten über die Gesundheit der Tiere zu sammeln und meine Sinne für die eigenen Beobachtungen im Kuhstall zu schärfen. Es hat Wochen gedauert, bis ich Zugang zu einer sogenannten Tierkörperbeseitigungsanlage erhalten habe. Dort werden Tiere, die versterben oder tot geboren wurden, zu Tiermehl verarbeitet. Behördenmitarbeiter untersuchen nicht systematisch, ob die Tiere qualvoll verendet oder eines natürlichen Todes gestorben sind. Sie haben dafür keine Zeit und sind oft unterbesetzt. Was dort geschieht, ist für die Öffentlichkeit eine Blackbox. Ich konnte mir Berge angelieferter Kühe und Schweine ansehen, aus Seuchenschutzgründen hinter Glas
Von wem wurden Sie dabei unterstützt?
Ich möchte meinen ehemaligen Chefs Nicolas Richter und Bastian Obermayer von der Süddeutschen Zeitung danken, die mir Zeit gegeben haben, mich durch Studien zu graben, Daten zu sammeln und vor Ort zu recherchieren. Ohne ihr Vertrauen und die Freiheit zur Recherche, die sie mir ermöglicht haben, wäre diese Geschichte nicht möglich gewesen. Besonderer Dank gilt Tadjana Lenhard, der Protagonistin der Geschichte, und ihrem Chef, für ihre Offenheit. Beiden ist Tierschutz ein Anliegen, nur so war ein Zugang in eine Tierkörperbeseitigungsanlage möglich. Lenhard hat mich einen Tag lang in ihrem Transporter mitfahren lassen, als sie tote Kälber und Schweine im Allgäu eingesammelt hat. Ich weiß jetzt, wie der Tod riecht – süßlich faul, so als hätte man einen Topf Gemüsesuppe wochenlang in der Sonne stehen lassen.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Guter Journalismus braucht gute Recherche. Gute Recherche braucht Zeit. Wer Autoren Zeit gibt, muss investieren, deswegen gibt es leider in vielen Verlagen viel zu wenig guten Journalismus.
Was braucht ein herausragender Artikel?
Eine gute Geschichte muss mich berühren. Sie kann das über einen starken Protagonisten tun, mit einem klugen Gedanken oder gutem Sprachwitz. Sie muss mich zum Nachdenken bringen. Sie muss bleiben. An eine herausragende Geschichte erinnere ich mich noch nach Jahren.