Bis sie versinken

von Marcus Jauer

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert warnen Wissenschaftler vor der Klimakatastrophe. Immer wieder sagen sie, es sei fünf vor zwölf, und vielleicht ist es sogar schon viel später. Doch warum folgt niemand ihrem Rat?

Hans Joachim Schellnhuber erklärt den Deutschen seit mehr als 25 Jahren den Klimawandel, trotzdem fallen ihm immer noch neue Bilder dafür ein. »Wussten Sie, dass die Kommandobrücke der Titanic nach Sichtung des Eisbergs noch 30 Sekunden gewartet hat, bevor sie den Kurs änderte?«, fragt er.

 

Mockup des nominierten Textes von Marcus Jauer von der Zeit-Website
Die Zeit / BDZV

Dass der Mann am Steuer der Titanic einfach gewartet hat, davon hatte man zwar bisher nicht gehört, aber es ist natürlich ein starkes Bild. Dreißig Sekunden, in denen der Untergang noch hätte verhindert werden können. Dreißig Sekunden, in denen nichts geschah.

Hans Joachim Schellnhuber hat das Bild vor Kurzem bei einem Vortrag in Athen ausprobiert. Er hat die Zuhörer gebeten, 30 Sekunden herunterzuzählen, während die Katastrophe immer näher rückt.

»Das halten die Leute kaum aus«, sagt Schellnhuber, noch froh über die Wirkung. »Man glaubt gar nicht, wie lang 30 Sekunden sein können.«

Er sitzt in seinem Büro im Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, einem gelb-roten Backsteinbau, der auf einer Anhöhe über der Stadt liegt. Er hat den Klimawandel schon mit einem Asteroiden-Einschlag in Zeitlupe verglichen. Und die Menschheit, die darauf reagiert, mit einem Mann, der vom Hochhaus springt und bis zum Aufschlag denkt, bis hierhin sei doch alles gut gegangen. Nun ist es die Titanic, die untergeht, weil niemand handelt. Der Pressesprecher sitzt daneben und schreibt mit.

Hans Joachim Schellnhuber ist der bekannteste Klimaforscher des Landes, auf manchen Veranstaltungen wird er sogar als »der berühmteste Klimaforscher der Welt« angekündigt. Selbst wer sich in der Vergangenheit nur am Rande für den Zustand des Planeten interessierte, bekam es irgendwann mit seinem hageren Gesicht und der sanften Stimme mit dem niederbayerischen Akzent zu tun, beide stets im Ausdruck begründeter Sorge.

Es gibt vermutlich keinen deutschen Wissenschaftler, der in den vergangenen 25 Jahren stärker auf die Gesellschaft eingewirkt hat. Er hat Angela Merkel beraten, als sie noch Umweltministerin war, er war ihr Chefberater, als sie Kanzlerin wurde. Er hat vor den Vereinen Nationen gesprochen, im Weißen Haus und im Vatikan, nachdem er auch noch den Papst beraten hatte. Er kennt Prinz Charles, Al Gore und Greta Thunberg und scheut sich nicht, das zu erwähnen.

Wer die vielen, vielen Interviews vergleicht, die Schellnhuber in diesen 25 Jahren gegeben hat, dem fällt auf, dass sie alle ähnlich ablaufen. Erst berichtet er, was der Menschheit nach dem neuesten Stand der Forschung droht – die schmelzenden Eisschilde, die Austrocknung des Regenwaldes, das Zusammenbrechen der Monsune, die Stürme, die Dürren, die Fluten, Millionen Menschen, die aus unbewohnbar gewordenen Gebieten fliehen, all der Horror, der inzwischen unser Bild von der Zukunft prägt. Dann sagt er, was die Menschheit dagegen unternehmen kann – Ausstieg aus Erdöl, Kohle und Gas, Ausbau von Wind- und Sonnenenergie, Umbau der gesamten Art und Weise, wie wir leben, wirtschaften und mit der Natur umgehen.

Ist die Katastrophe denn noch aufzuhalten?

»Ich bin überzeugt, dass es noch möglich ist«, sagt er dann meist in den Interviews, »wenn wir jetzt rasch handeln.«

Es ist wie mit seinem Bild von der Titanic. Die Lage ist dramatisch, die Katastrophe ist nah, und sie kommt scheinbar unaufhaltsam näher. Aber noch ist es nicht zu spät, um alles abzuwenden. Es ist fünf vor zwölf. Aber das seit 25 Jahren.

Wie kann das sein?

Um diesen Widerspruch zu klären, muss man nicht nur mit Hans Joachim Schellnhuber in Potsdam sprechen, sondern auch mit Andreas Oschlies in Kiel und mit Julia Pongratz in München: drei Klimaforscher, drei Generationen – und trotzdem wird es noch jemanden brauchen, der gar kein Klimaforscher ist, um den Widerspruch ganz zu verstehen.

Moderne Klimaforschung ist nicht nur der Versuch, die Zukunft des Planeten so genau zu beschreiben, wie das keine Wissenschaft zuvor in der Geschichte getan hat. Sie ist auch der Versuch, diese Zukunft zu beeinflussen. Klimaforscher berechnen nicht nur, welche Folgen der Klimawandel für die Menschheit hat. Sie sagen auch, was wann wie getan werden müsste, um ihn zu stoppen. Die Wissenschaft beschreibt nicht nur das Problem, sondern auch die Lösungen. Die Menschheit muss sich dann nur noch dafür entscheiden, das Richtige zu tun. Richtig, weil es wissenschaftlich berechnet ist.

»Zumindest war das die Hoffnung«, sagt Hans Joachim Schellnhuber. »Ich stopfe vorn Wissen hinein, und dann kommt hinten eine zielführende Entscheidung heraus. Ein simples lineares Modell.«

Als er Anfang der Neunzigerjahre zur Klimaforschung kam, war eine Erwärmung der Erde schon messbar. Auch dass der Mensch für sie verantwortlich ist, war mehr als eine Vermutung. Seit der Industrialisierung hatten Kohle, Erdöl und Erdgas für einen nie da gewesenen Wohlstand gesorgt. Doch bei deren Verbrennung entstand Kohlendioxid. So farb- und geruchlos, wie es war, hatte man es Jahrzehnte für vernachlässigbar gehalten. Zwar war der amerikanische Präsident Richard Nixon bereits Ende der Sechzigerjahre von seinen Beratern davor gewarnt worden, dass der ständig steigende Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre zu einer weltweiten Erwärmung mit unvorhersehbaren Folgen führen könne. Doch im Kalten Krieg galt ein vom Menschen verursachter Klimawandel nicht als drängendes Problem. Und als der Kalte Krieg vorbei war? Dass das Bundesforschungsministerium gut zwei Jahre nach dem Mauerfall in Potsdam ein Institut für Klimafolgenforschung gründen ließ, war eher eine Maßnahme zum Aufbau Ost als eine zur Rettung der Welt.

Schellnhuber war damals ein junger Professor für Theoretische Physik mit Forschungsaufenthalten in Kalifornien und der begründeten Aussicht auf eine Karriere im Elfenbeinturm. Am Klima interessierte ihn vor allem, dass sich wissenschaftliche Theorien hier auf etwas Praktisches anwenden ließen. Nachdem er der Direktor des neuen Instituts geworden war, zog er sich wochenlang mit einem Stapel wissenschaftlicher Literatur zurück – alles, was es bis dahin zum Klimawandel gab. Danach hatte er ein Bild davon, was da Gewaltiges auf die Menschheit zurollte.

»Die Amerikaner nennen das den holy shit- Moment«, sagt Schellnhuber.

Damals zeichnete er auf einem Blatt Papier, groß wie eine Zeitungsseite, mit Pfeilen und Kästchen auf, wie sich die Erderwärmung durch alle Bereiche der Natur hindurch bis in die letzten Winkel der Gesellschaft auswirken wird. Ein Organigramm der Katastrophe, gemalt mit etwa hundert Buntstiften. Die Grafik hat Schellnhuber gegen Ende seiner Karriere in seine Autobiografie aufgenommen. Wer sie anschaut, versteht sofort: Das alles ist irre kompliziert.

Angela Merkel ist eine der wenigen, die wirklich verstanden haben, worum es geht.

Seit Anfang der Neunzigerjahre hat Schellnhuber alle Bundesregierungen in Sachen Klimawandel beraten. Er hat in dieser Zeit drei Bundeskanzler erlebt. Erst Angela Merkel gab ihm das Gefühl, er werde tatsächlich gehört. Als er sie zum ersten Mal traf, standen beide am Anfang ihrer Karriere. Sie war gerade Umweltministerin geworden und musste sich davon freikämpfen, Helmut Kohls Mädchen zu sein. Er führte ein Institut, von dem Kollegen sagten, man könne es nach fünf Jahren auch wieder einstampfen, wenn es nicht laufe. Ein Wissenschaftler, der Politik machen will. Eine Politikerin, die Wissenschaftlerin war. Beide hatten sie Physik studiert. Wenn er ihr etwas erklären wollte, schrieb er die Formel auf, und sie verstand sie. Mit ihm wurde aus ihr die Klimakanzlerin, mit ihr wurde aus ihm ein Klimaflüsterer. Eine Zeit lang trafen sie sich alle paar Wochen. Auf einmal schien es, als wolle Deutschland das Klima der Welt im Alleingang retten.

»Angela Merkel ist eine der wenigen, die wirklich verstanden haben, worum es geht«, sagt Schellnhuber. Aber auch das sagt er fast immer.

Die Wissenschaft hat sich früh gefragt, wie stark die Menschheit das Klima noch belasten kann. Die Idee, dass es sogenannte Kipp-Punkte gibt, an denen das gesamte System in einer unumkehrbaren Kettenreaktion aus Katastrophen in einen Zustand rutscht, den es seit Bestehen der Zivilisation nicht gab, stammt von Schellnhuber. Er war nicht der erste Forscher, der glaubte, dass die mittlere Erdtemperatur um nicht mehr als zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigen darf, wenn man dieses Kippen vermeiden will. Er war nur der Erste, dem es gelang, daraus Politik zu machen.

»Vater der Zwei-Grad-Grenze« – er hat nichts dagegen, wenn man ihn so nennt.

»Es ging darum, überhaupt eine wissenschaftlich begründbare Widerstandslinie ins Spiel zu bringen«, sagt er. »Es war entscheidend, dass jemand sagt: Natürlich zählt jedes Zehntelgrad, aber hier ziehen wir eine Grenze und beschließen, sie zu verteidigen.«

Seit Schellnhuber die Politik berät, hat er diese zwei Grad durch den politischen Apparat der Welt gelotst. Von der Bundesregierung über die Europäische Union und die sieben führenden Industriestaaten bis hin zur Staatengemeinschaft der Welt. Gremium für Gremium, Konferenz für Konferenz überzeugte er eine Ebene nach der anderen von diesen zwei Grad. Sie sind heute Grundlage der weltweiten Klimapolitik. Wo die Menschheit im Kampf gegen die Erderwärmung steht, wird an dieser selbst gewählten Grenze gemessen. Die Wissenschaft hatte informiert, die Politik hatte entschieden. Das simple lineare Modell schien zu funktionieren.

Mittlerweile weiß jeder: Das war ein Trugschluss.

Seit Anfang der Neunzigerjahre steigt der Ausstoß von Kohlendioxid unverändert an. Er entspricht heute noch der Kurve, die die Klimaforscher damals für den undenkbaren Fall berechnet haben, dass nichts unternommen wird, um den Ausstoß zu senken. All die Solaranlagen, Windräder und Elektroautos haben daran nichts geändert, weil zugleich auch der Energieverbrauch der Menschheit zunahm. Heute wird mehr Kohle, Öl und Gas verbrannt als jemals zuvor. Das Klima reagiert schneller als die Gesellschaft.

Trotzdem sagt Hans Joachim Schellnhuber: »Ich denke, bei entschlossenem Handeln ist bis 2030 noch eine reale Chance gegeben, die Zwei-Grad-Latte nicht zu reißen.«

Es ist also immer noch fünf vor zwölf. Ist etwa die Uhr stehen geblieben? Oder was stimmt hier nicht?

Andreas Oschlies ist 16 Jahre jünger als Hans Joachim Schellnhuber. Er arbeitet am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Von seinem Büro aus sieht er auf den Hafen und den Pier, an dem die Forschungsschiffe anlegen, wenn sie vom Meer zurückkommen. Die Möwen sind durch das geschlossene Fenster zu hören.

Andreas Oschlies hat Theoretische Physik studiert. Physiker spielten beim Kampf gegen das Wettrüsten in den Achtzigerjahren eine gewisse Rolle, weil sie Dinge berechnen und beweisen konnten. Das beeindruckte ihn: berechnen zu können, was richtig und was falsch ist. Als er an der Uni dann selbst an politischen Diskussionen teilnahm, merkte er schnell, dass etwas berechnen zu können allein noch gar nichts nützt.

»Ich dachte, eine Diskussion wird geführt, damit klar wird, was zu tun ist«, sagt er. »Aber es wurde nie klar. Es gewann einfach nur der, der am längsten redete.«

Es ist interessant, wie ratlos und erstaunt hochgebildete Wissenschaftler sein können, wenn sie auf das System Politik stoßen. Während es dem Wissenschaftler ständig darum geht, Widersprüche aufzulösen, um zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen, kann es für den Politiker auch logisch sein, wenn Reden, Entscheiden und Handeln auseinanderfallen.

Solange ein Politiker sagt, er wolle das Klima schützen, muss er nicht unbedingt danach handeln. Er kann das damit begründen, dass das nicht auf Kosten des Wohlstandes geschehen dürfe, so wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Er kann den Klimaschutz in die Zukunft verschieben, so wie die Bundesregierung, die die Ziele für 2020 verpassen wird, aber dafür die Ziele für 2030 einhalten will. Er kann die Ziele sogar noch verschärfen, wenn sich zeigt, dass sie kaum einzuhalten sind, so wie das 2015 auf der Klimakonferenz in Paris geschah. Das Einzige, was er nicht laut sagen darf: dass er das Klima nicht mehr schützen will.

Vor der Klimakonferenz in Paris konnten sich die Klimaforscher eigentlich nicht mehr vorstellen, wie die Menschheit noch unter zwei Grad bleiben wollte. Doch dann einigte sich die Staatengemeinschaft sogar auf ein noch ambitionierteres Ziel: 1,5 Grad. In dem Moment, als das alte Ziel kaum noch realistisch schien, setzte sie sich auf einmal ein strengeres, beschloss aber auch für dieses Ziel keine konkreten Maßnahmen. Angeblich war es der Auftritt der kleinen Inselstaaten, die sich vor der Überflutung fürchteten, der die großen Industriestaaten überzeugte. »Ich bin ein Inseljunge«, sagte der amerikanische Präsident Barack Obama. Endlich schien die Politik den Kampf gegen den Klimawandel ernst zu nehmen. Die Konferenz galt als Durchbruch, die Euphorie war enorm. Die 1,5 Grad wurden rund um den Globus gefeiert.

Aber waren sie überhaupt einzuhalten?

Andreas Oschlies gehört zu den Wissenschaftlern, die diese Frage untersucht haben. Er ist Mitglied im Weltklimarat, einem Gremium, in dem sich Tausende Wissenschaftler aus aller Welt zusammengetan haben. Der Weltklimarat hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Politik regelmäßig über den Stand der Forschung zum Klimawandel zu informieren, damit diese ihre Entscheidungen daran ausrichten kann. Nach der Konferenz von Paris war es erstmals umgekehrt. Die Politik hatte eine Entscheidung getroffen, 1,5 Grad. Nun bekam die Klimaforschung zwei Jahre Zeit, um in einem Sonderbericht zu zeigen, wie das gehen soll. Natürlich war sie frei, jedes Szenario zu prüfen. Sie war nicht verantwortlich für die Hoffnungen der Welt. Wissenschaft ist unabhängig, sonst sind ihre Aussagen nichts wert.

Nur was, wenn die Wissenschaftler der Welt sagen müssten, dass das, worauf sie sich gerade so euphorisch geeinigt hatte, nicht möglich war?

»Die Angst war tatsächlich da, dass wir am Ende feststellen, es ist unmöglich«, sagt Andreas Oschlies. »Damit hatte uns die Politik den Schwarzen Peter zugeschoben.«

Er hat im Januar in Kiel einen Vortrag über die Szenarios gehalten, nach denen die 1,5 Grad noch zu halten wären. Alles, was er sagte, fußte auf dem Sonderbericht des Weltklimarates, an dem er als Gutachter mitgearbeitet hatte. Es war eine öffentliche Veranstaltung, der Mitschnitt ist im Internet zu finden. Nichts war geheim. Aber das bedeutet nicht, dass es zu den Menschen durchdrang.

Das erste Szenario, das er vorstellte, geht von einer Menschheit aus, die dem Kampf gegen den Klimawandel alles andere unterordnet. Sie steigt sofort aus der Kohle aus, investiert in neue Techniken wie Elektroautos und ist bereit, international zusammenzuarbeiten, statt Handelskriege zu führen. Entsprechend schnell kann sie den Ausstoß an Kohlendioxid senken, aber natürlich kommt sie nicht auf null. Es gibt immer noch Flugzeuge, die mit Kerosin fliegen, und Wohnungen, die geheizt werden müssen. Es wird weiter mit Zement gebaut, bei dessen Herstellung Kohlendioxid entsteht. Um dieses Gas aus der Atmosphäre herauszuholen, wird aufgeforstet.

Wie viel Wald müsste man dafür pflanzen?

»Jedes Jahr die Hälfte der Fläche der Bundesrepublik«, sagt Andreas Oschlies. »Jedes Jahr bis zum Ende des Jahrhunderts.«

Schon nach zwei Jahren müsste demnach eine Fläche von der Größe Deutschlands aus Wald bestehen, und zwar komplett, ohne Felder, auf denen noch etwas wachsen könnte, oder Weiden, auf denen Tiere stehen. In 30 Jahren müsste eine Fläche von der Größe Europas bepflanzt sein, und auch das würde nicht ausreichen. Gleichzeitig wäre der Energiebedarf der Welt weiterhin so groß, dass er von Windrädern und Solaranlagen allein nicht gedeckt werden kann. Um diese Lücke klimaneutral zu schließen, müssten jedes Jahr 25 Atomkraftwerke gebaut werden. Andernfalls bliebe der Temperaturanstieg nicht bei 1,5 Grad.

Ist das nicht total unrealistisch?

»Rechnerisch geht es auf«, sagt Andreas Oschlies. »Ich halte es nur nicht für umsetzbar.«

Wir haben jetzt mehr als 25 Jahre Horrorszenarios an die Wand geworfen.

Er klingt überhaupt nicht dramatisch, wenn er so etwas sagt, auch nicht warnend, düster oder predigend, im Gegenteil. Eher wie jemand, der darüber staunt, wie die Realität ins Absurde rutscht.

»Wir haben jetzt mehr als 25 Jahre Horrorszenarios an die Wand geworfen«, sagt er. »Das hat nichts geändert, es hilft auch nicht mehr. Die Leute hören einfach nicht auf zu fliegen, zu heizen oder Fleisch zu essen. Wir müssen auch andere Handlungsansätze anbieten.«

Andreas Oschlies hat für die Deutsche Forschungsgemeinschaft in den vergangenen Jahren mit einer Forschergruppe sogenanntes Climate-Engineering untersucht. Das sind Techniken, die gezielt ins Klima eingreifen, um es zu steuern. Die Idee war unter Klimaforschern lange nicht besonders beliebt, wollten sie doch, dass die Gesellschaft ihr Verhalten ändert, statt Verfahren zu entwickeln, mit denen sie weitermachen konnte wie bisher.

Auch die Bevölkerung scheint sich vor den Folgen zu fürchten. Drei von vier Projekten zum Climate-Engineering wurden in Deutschland durch Bürgerproteste gestoppt. Übrig blieb eine Anlage im brandenburgischen Ketzin, bei der über fünf Jahre insgesamt einige Zehntausend Tonnen Kohlendioxid 650 Meter tief ins Gestein verpresst wurden, ohne dass es zu Problemen kam. Dennoch sind seitdem keine Modellversuche mehr genehmigt worden. Nach den ewigen Diskussionen um die Atommüll-Endlager scheut die Politik offenbar die Diskussion um Kohlendioxid-Endlager.

»Natürlich gibt es große Risiken«, sagt Andreas Oschlies, »aber wenn wir so weitermachen wie bisher, entstehen Risiken, die einfach unverantwortlich groß sind.«

Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre zu entfernen bedeutet, an der Ursache des Klimawandels anzusetzen. Man könnte das Gas direkt aus der Luft filtern oder aus den Schornsteinen der Kraftwerke, aber das ist teuer oder technisch schwierig. Man könnte Wälder aufforsten oder eine Algenblüte im Ozean auslösen, die Kohlendioxid bindet. Man könnte das Kohlendioxid in die Tiefsee pumpen oder in tiefe Gesteinsschichten. Man könnte sogar die Tatsache nutzen, dass Gestein, wenn es verwittert, Kohlendioxid binden kann. Das ist ein Prozess, der auf der Erde ohnehin die ganze Zeit abläuft.

Wie würde das aussehen?

»Man würde einen Berg nehmen, ihn zerkleinern, auf einer Fläche ausbreiten und verwittern lassen«, sagt Andreas Oschlies.

Einen Berg welcher Größe?

»Um das zu kompensieren, was wir heute pro Jahr ausstoßen? Das Matterhorn. Zweimal pro Jahr.«

Zweimal pro Jahr das Matterhorn? Das ist doch genauso unrealistisch, wie die halbe Welt in Wald zu verwandeln.

»Es wären verzweifelte Maßnahmen«, sagt Oschlies. »Sie zeigen aber, wie riesig das Problem inzwischen ist.«

Die Entnahme von Kohlendioxid wird in den Berichten des Weltklimarates als »negative Emission« bezeichnet. Negative Emissionen werden in Gigatonnen gemessen. Dabei gibt es die Techniken für solche Größenordnungen noch gar nicht. Sie sind weder gut erforscht noch erprobt. Sie müssten jedoch spätestens in zehn Jahren einsatzbereit sein, damit sich die Erwärmung überhaupt noch auf zwei oder eineinhalb Grad beschränken ließe. Wenn die Politik darauf verweist, dass der Kampf gegen den Klimawandel nach Meinung der Wissenschaft immer noch zu gewinnen sei, dann meint sie genau diese Szenarios. Szenarios, die mit etwas rechnen, das bis jetzt nur auf dem Papier existiert.

Es gibt Journalisten, Politiker, aber auch Wissenschaftler, die Hans Joachim Schellnhuber irgendwann für einen Alarmisten gehalten haben, dem es in Wahrheit darum gehe, statt des Klimas den Menschen zu verbessern. Dabei hatte er recht.

Es war schon vor 25 Jahren fünf vor zwölf.

Jetzt ist es später.

Warum sagt das niemand offen?

Im Grunde gibt es zwischen Politik und Wissenschaft eine Art Arbeitsbündnis, in dem keiner die Verantwortung dafür übernehmen will, die globalen Klimaziele für gescheitert zu erklären.

Oliver Geden arbeitet bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, deren Aufgabe es ist, die politischen Entscheidungsträger des Landes zu beraten. Dafür wird sie vom Kanzleramt bezahlt. Oliver Geden ist kein Klimaforscher, er ist Politikberater mit dem Schwerpunkt Klima. Er kennt beide Seiten und ist der Meinung, dass zwischen ihnen über die Jahre eine ungute Dynamik entstanden ist.

»Im Grunde gibt es zwischen Politik und Wissenschaft eine Art Arbeitsbündnis, in dem keiner die Verantwortung dafür übernehmen will, die globalen Klimaziele für gescheitert zu erklären«, sagt er.

Warum nicht?

»Weil die Politik kein Klimaziel verfolgen kann, von dem die Wissenschaft sagt, dass es gar nicht mehr erreichbar ist. Und weil die Wissenschaft Angst hat, dass, wenn sie ein Klimaziel vom Tisch nimmt, sich die Politik dann ein noch weniger ehrgeiziges sucht.«

Das klingt nach einem erstklassigen Teufelskreis, in den die Klimaforschung da verstrickt ist. Will sie nicht riskieren, dass die Politik den Kampf gegen den Klimawandel schleifen lässt, darf sie nicht sagen, wie es tatsächlich um das Klima steht. Stattdessen beglaubigt sie Rettungsszenarios, die immer unwahrscheinlicher werden. Und das nur, weil die Politik sich nicht traut, der Gesellschaft zu sagen, was eigentlich nötig wäre, um diesen Kampf noch zu gewinnen. Dabei wurde die Gesellschaft gar nicht gefragt, wozu sie überhaupt bereit wäre.

Womöglich passiert ja genau deshalb nichts: weil niemand ihr die Wahrheit sagt.

Oliver Geden hat bereits vor sieben Jahren in einer Studie für den politischen Apparat aufgeschrieben, mit welchen rechnerischen Tricks man arbeiten kann, damit es in den Szenarios so lange wie möglich so aussieht, dass sich die Zwei-Grad-Grenze noch halten lässt – während es in Wirklichkeit dafür schon zu spät ist. Man kann in den Szenarios beispielsweise eine kurzfristige Überschreitung der Temperaturgrenze erlauben und diese Überschreitung später ausgleichen. Man kann auch die Wahrscheinlichkeit herunterschrauben, nach der bestimmte Klimakatastrophen eintreten. Oder man kann die Menge Kohlendioxid großzügiger berechnen, welche die Menschheit noch ausstoßen darf, und natürlich kann man die Anzahl der »negativen Emissionen« immer weiter erhöhen. Niemand wird etwas merken.

Aber ist das nicht eine zynische Anleitung zur Manipulation?

»Ich fand es den elegantesten Weg, offenzulegen, welches Spiel hier gespielt wird«, sagt Oliver Geden.

Die Verantwortung dafür, ob ein Klimaziel erreicht wird, muss wieder bei der Politik liegen und nicht bei der Klimaforschung.

Damit kein Missverständnis entsteht: Oliver Geden ist niemand, der den Kampf gegen den Klimawandel sabotieren will, im Gegenteil. Er kümmert sich in der Stiftung darum, wie sich die deutsche Energiewende mit Europa synchronisieren lässt und wie Europa in internationalen Klimaverhandlungen auftritt. Er hat ein Jahr bei den Klimaforschern des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg gearbeitet, und er schreibt am nächsten Bericht des Weltklimarates mit. Er versteht, dass Politik und Wissenschaft unter verschiedenen Voraussetzungen handeln müssen. Er will nur nicht, dass dabei eine Situation entsteht, in welcher der Redliche am Ende als Alarmist dasteht.

»Die Verantwortung dafür, ob ein Klimaziel erreicht wird, muss wieder bei der Politik liegen und nicht bei der Klimaforschung«, sagt er.

Vermutlich kommen deshalb alle Klimaforscher, mit denen man spricht, früher oder später auf Greta Thunberg zurück. Jenes 16-jährige Mädchen aus Schweden, das beschloss, wegen des Klimawandels freitags nicht mehr zur Schule zu gehen. Der Erfolg der Bewegung, die sie ausgelöst hat, liegt nicht darin, auf den Klimawandel hinzuweisen. Der Klimawandel war bekannt. Der Erfolg liegt darin, endlich auszusprechen, dass die Art und Weise, wie ihm bisher begegnet wurde, vollständig gescheitert ist.

Die Schüler, die jetzt demonstrieren, stellen sich ja nicht vor Tankstellen, ungedämmte Mietskasernen oder Flughäfen, von denen Billigflieger starten. Sie ziehen vor Parlamente und Ministerien.

Julia Pongratz ist noch einmal 15 Jahre jünger als Andreas Oschlies und ist nicht über einen Umweg zur Klimaforschung gekommen, sie wollte von Anfang an dorthin. Als sie zur Jahrtausendwende Abitur machte, war das Problem der Erderwärmung bereits in allen Zeitungen angekommen, und sie dachte, wenn es jemanden brauche, der dafür Lösungen sucht, dann könne das doch auch sie sein.

»Mir war nicht klar, dass man da schon genug wusste, um dringenden Handlungsbedarf zu rechtfertigen«, sagt sie. »Wir haben die Daten seitdem eigentlich nur noch verfeinert.«

Julia Pongratz arbeitet an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo sie seit Kurzem einen Lehrstuhl für Physische Geographie und Landnutzungssysteme innehat. Die Frage, wie der Mensch Land nutzt und dadurch das Klima beeinflusst, untersucht die Wissenschaft noch gar nicht lange. Sich auf die Industrialisierung zu konzentrieren schien wichtiger, deshalb starteten alle Klimamodelle mit dem Jahr 1850, in dem die Industrialisierung ihren Anfang nahm. Was davor lag, war unbekannt. Das zu ändern war der Auftrag, den Julia Pongratz als junge Doktorandin erhielt.

Wie viele Jahre zurück sollte sie forschen?

»So weit es geht«, sagt sie.

Im Kern handelt es sich um den Zusammenhang, der schon bei Andreas Oschlies auftaucht. Die Menschheit stößt Kohlendioxid aus, aber nicht alles bleibt in der Atmosphäre. Einen Teil speichern die Ozeane, einen anderen die Pflanzen. Doch mit jedem gefällten Baum, jedem Quadratmeter abgeholzten Regenwald wird der Speicher kleiner. Dieser Prozess läuft ab, seitdem die Menschheit Wald rodet, um Brenn- oder Bauholz zu gewinnen oder Äcker und Weiden anzulegen – also seit mehreren Tausend Jahren.

Um diesen Prozess für den gesamten Planeten zu rekonstruieren, wühlte sich Julia Pongratz monatelang durch Bibliotheken und Archive. Sie stützte sich auf Schätzungen, wie sich die Bevölkerungszahlen über die Jahrhunderte entwickelt hatten, und rechnete hoch, wie viel Fläche nötig gewesen war, um diese Menschen zu ernähren. Für Europa fand sie Aufzeichnungen niederländischer Adeliger, die über Generationen hinweg Buch über die Erträge ihrer Äcker geführt hatten. Für Asien orientierte sie sich an den Dokumenten der kaiserlichen Steuerbürokratie in China. Für Afrika versuchte sie, mithilfe von Linguisten herauszufinden, wann in welcher Region die Sprache Ackerbau betreibender Stämme auftauchte. Es war akribische Detektivarbeit, nur um festzustellen, dass der Mensch vor der Industrialisierung doch noch keinen Einfluss auf das Klima hatte. Solche Vermutungen hatte es gegeben. Julia Pongratz hat sie widerlegt. Es war Grundlagenforschung, nicht mehr und nicht weniger.

Das einzige Ereignis, in dem die Anwesenheit des Menschen überhaupt in den weltweiten Daten ablesbar war, war der Mongolensturm. Jener Eroberungszug von Dschingis Khan und seinen Nachfolgern, deren Reiterarmeen im Mittelalter mehrere Millionen Menschen zum Opfer fielen. Menschen, die Land bewirtschaftet hatten, das sich die Natur nun, da sie tot waren, wieder zurückholte. Der Wald, der dieser Auslöschung nachfolgte, band so viel Kohlendioxid, dass es zu einer minimalen, aber globalen Abkühlung kam.

Man könnte sagen: Alles, was die Menschen an Klimaschuld abzutragen haben, stammt aus den vergangenen 150 Jahren. Davor mussten sie sich schon im großen Stil gegenseitig umbringen, damit das Klima überhaupt von ihnen Notiz nahm.

Mit dieser Erkenntnis hatte Julia Pongratz ihre ersten Auftritte in der Öffentlichkeit. Sie forschte damals gerade in Stanford, und der amerikanische Fernsehsender Fox, der den Klimawandel für eine Erfindung hält, holte sie ins Frühstücksfernsehen. Dort hieß es dann, ausgerechnet eine Deutsche habe herausgefunden, dass der einzige Mensch, der jemals einen messbaren positiven Einfluss auf das Klima ausgeübt habe, ein Massenmörder gewesen sei. In der englischen Boulevardzeitung Daily Mail erschien die Geschichte unter der Überschrift »Dschingis Khan, der Grüne«.

Man sieht Pongratz an, dass ihr das jetzt noch unangenehm ist.

Über jedes Detail ihrer Forschung kann man mit Julia Pongratz lange reden, und es ist immer interessant. Nur wenn man darüber reden will, worum es in den Gesprächen mit Hans Joachim Schellnhuber und Andreas Oschlies fast die ganze Zeit ging – also wie die Klimaforschung noch auf die Menschheit einwirken kann, um deren Untergang zu verhindern –, weiß sie nicht so richtig, was man von ihr will.

»Da müssten Sie einen Politikwissenschaftler fragen.«

Auch Julia Pongratz hat ein Szenario erstellt. Danach ließe sich die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts um 0,3 Grad senken, wenn die Menschheit die Abholzung in den Tropen stoppt und außerdem eine Fläche von der Größe Brasiliens mit Wald bepflanzt. Es muss dafür weder die Sahara noch die australische Wüste aufgeforstet werden. Die Flächen, die es braucht, werden frei, weil die Landwirtschaft besser und durch den Klimawandel Ackerbau in Regionen möglich wird, die jetzt noch zu kalt dafür sind. Es ist ein absolut realistisches Szenario, in dem man kaum auf etwas verzichten müsste. Sie muss nicht einmal die Techniken einsetzen, von denen Andreas Oschlies spricht. Aber das Ganze bringt eben nur 0,3 Grad.

»Es ist eine Frage der Perspektive, ob man findet, das ist viel oder wenig«, sagt Pongratz.

Irgendwann im Laufe des Gesprächs ist man irritiert von dieser absoluten Sachlichkeit. Als spüre Pongratz weder die Pflicht, Alarm auszulösen, noch die Pflicht, Zuversicht zu vermitteln. Es ist bei ihr nicht fünf vor zwölf, aber auch nicht fünf nach zwölf. Sie benutzt überhaupt keine Bilder. Das Gefühl, sie müsse als Forscherin der Politik dabei helfen, ein Klimaziel einzuhalten, hat sie schlichtweg nicht.

»Theoretisch könnte es mir gleichgültig sein, was die Politik mit unserem Wissen macht«, sagt Pongratz, »deshalb sind die Forschungsergebnisse nicht weniger akkurat. Es steht auch keine Reputation auf dem Spiel. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, Fakten zu liefern, nicht politische Handlungsanweisungen.«

Springt man noch einmal zurück zur Titanic von Hans Joachim Schellnhuber oder zum Matterhorn von Andreas Oschlies, wirkt es erst einmal wie eine deprimierende Bilanz, wenn die jüngste Generation von Klimaforschern nur noch Verantwortung für ihre Zahlen übernehmen will und nicht mehr für deren Wirkung. Aber im Grunde wird damit endlich geradegerückt, was zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik verrutscht war. Die Wissenschaft ist da, um zu forschen, die Gesellschaft bildet sich eine Meinung, die Politik handelt. Es sollte einfach nur jeder seine Aufgabe erfüllen, dann muss auch keiner jemand anderes Hoffnung sein. Denn das zeigt die letzte Europawahl: Wenn die Politik das Thema nicht ernst nimmt, muss sie irgendwann die Menge der Leute ernst nehmen, die das Thema ernst nehmen.

Hans Joachim Schellnhuber verliert nie ein schlechtes Wort über Angela Merkel. In keinem Interview aus den vergangenen 25 Jahren findet sich bei ihm auch nur der Anflug von Enttäuschung, wenn es um sie geht. Es ist, als halte er sie immer noch für die Wissenschaftlerin, die er einmal kennengelernt hat.

Aber vermutlich gibt es die Wissenschaftlerin Angela Merkel gar nicht mehr, es gibt nur noch die Politikerin.

Die Zeiten, in denen sie die Klimakanzlerin war und Schellnhuber ihr Chefberater, sind genauso vorbei wie die Zeiten, in denen Deutschland beim Klimaschutz anscheinend ganz allein vorangehen wollte. Schweden, Dänemark, Großbritannien, die Niederlande, die Schweiz sind heute wesentlich weiter, Deutschland gilt als Bremser. Doch das lastet Schellnhuber nicht Merkel an.

»Ich weiß, dass sie eine überzeugte Klimaschützerin ist«, sagt er, »aber sie kann eben manchmal nicht so, wie sie will.«

Als er vor einiger Zeit die Leitung seines Instituts abgegeben hat, richtete sie für ihn ein Essen im Kanzleramt aus. Es sollte wohl so etwas wie der Abschluss ihrer gemeinsamen Zeit sein. Er lud seine eigenen Gäste ein, der Regisseur Volker Schlöndorff kam, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, und Nathalie von Siemens vom Vorstand der firmeneigenen Stiftung.

Am Ende stellte einer von Schellnhubers Gästen der Bundeskanzlerin eine Frage.

Er wollte wissen: »Was können wir noch tun, um Sie im Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen?«

Merkel antwortete: »Bilden Sie wirre Allianzen.«

Und während Schellnhuber noch erklärt, dass die Kanzlerin mit wirr natürlich nicht verrückt, sondern unvorhersehbar gemeint habe, fragt man sich, ob es nicht viel entscheidender wäre, dass die anscheinend mächtigste Person im Raum darauf hinweist, erst Mehrheiten in der Gesellschaft zu benötigen, bevor sie etwas tun kann.

Das ist die Antwort, die noch gefehlt hat, um zu verstehen, warum es im Kampf gegen den Klimawandel seit 25 Jahren scheinbar fünf vor zwölf ist.

Die Klimaforschung hat der Politik Zeit verschaffen wollen, damit sie handeln kann, während die Politik auf ein Zeichen der Gesellschaft wartete, dass sie handeln darf. Aber die Gesellschaft kann dieses Zeichen nicht geben, wenn sie nicht weiß, wie es wirklich um das Klima steht. Wenn niemand sagt, wie es ist, kann auch niemand danach handeln. Dem Klimawandel ist das egal. Es ist die Menschheit, die Zeit verloren hat.