Christoph Heinemann und Jens Meyer-Wellmann
Kurzbiographie der Nominierten in der Kategorie Thema des Jahres "Corona - Leben im Ausnahmezustand" 2021
Christoph Heinemann, Jahrgang 1988, erlernte das journalistische Handwerk nach dem Abitur als Volontär bei der „Hamburger Morgenpost“. Anschließend dort Redakteur für Landespolitik, ab 2011 Freier Journalist und Studium der Politikwissenschaft in Hamburg. Seit 2015 ist Heinemann beim „Hamburger Abendblatt“ – zunächst als Polizeireporter, seit 2020 als Chefreporter und Blattmacher. Für seine investigativen Recherchen wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet: Unter anderem erhielt er für sein Dossier „Soko ‚Cold Cases‘ – Chronik eines Versagens“, das zur Absetzung des früheren Hamburger LKA-Chefs Frank-Martin Heise beitrug, im Jahr 2020 den Nannen Preis. Heinemann lehrt zudem als Dozent an der Akademie für Publizistik. Er teilt sich das Home Office seit Pandemiebeginn mit seiner Tochter im Vorschulalter und leidet täglich am HSV.
Jens Meyer-Wellmann, Jahrgang 1966, verbrachte Teile seiner Jugend in Paraguay und promovierte nach dem Studium der Geschichte und Volkswirtschaftslehre über politische Parteien in Lateinamerika. Er absolvierte die Journalistenschule Axel Springer und arbeitete als Chefreporter beim „Hamburger Abendblatt“. 2009 wechselte er in die Redaktionsleitung von „Welt“ und „Welt am Sonntag“ und moderierte gelegentlich die lokale TV-Talkshow „Hamburger Presserunde“. Seit 2015 wieder beim „Hamburger Abendblatt“, derzeit als Chefkorrespondent. 2007 ausgezeichnet mit dem Erich-Klabunde-Preis für eine Reportage über einen krebskranken Vergewaltiger, der um Haftentlassung zum Sterben bittet. 2020 Deutscher Reporterpreis mit Christoph Heinemann. Er lebt mit Frau und Söhnen in Hamburg, spielt Doppelkopf mit Neunen und leidet täglich am HSV.
Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Zuerst stand im Frühjahr 2020 die Idee, den Verstorbenen der Corona-Pandemie und ihren Angehörigen ein Gesicht zu geben – die einzelnen Schicksale spielten zuvor in der medialen Debatte kaum eine Rolle. Dann ereignete sich der Ausbruch im Hamburger UKE und wurde durch den „Spiegel“ öffentlich, auch hier nahm die Aufmerksamkeit aber schnell wieder ab. Für uns war damals klar, dass wir unser Anliegen mit dem Fall verbinden müssen. Unsere Recherche verlief danach in zwei Strängen: Einerseits wollten wir so genau wie möglich rekonstruieren, was wirklich im UKE geschah und wie es geschehen konnte. Und andererseits die Angehörigen in ihrer Trauer begleiten, um zu zeigen, welche Lücken der Ausbruch in ihren Leben gerissen hat.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Weder das UKE, das Gesundheitsamt, die übergeordneten Behörden noch die eingeschalteten Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft waren zunächst zu Auskünften oder Gesprächen bereit. Die Angehörigen, Mitarbeiter des UKE und medizinische Experten ausfindig zu machen und das nötige Vertrauen aufzubauen, brauchte teilweise viel Zeit. Je länger die Recherche dauerte, desto mehr kam eine persönliche Herausforderung dazu: Die eigenen Erkenntnisse immer wieder zu hinterfragen und sich einen unverstellten Blick auf die Geschehnisse zu wahren.
Wie wurden Sie dabei unterstützt?
Unser größter Dank gebührt den Angehörigen, die sich uns in vielen Gesprächen geöffnet und ihre Gefühle, aber auch konkrete Erlebnisse mit uns geteilt haben. Ebenso halfen uns die Quellen im UKE und den zuständigen staatlichen Stellen, in dem sie uns die Abläufe im UKE schilderten und sehr viele Angaben für uns verifizierten. Zudem hielten uns unsere Kolleginnen und Kollegen beim Hamburger Abendblatt über Monate so gut wie möglich den Rücken frei.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Bei relevanten Themen in die Tiefe zu gehen und Vorgänge kritisch zu hinterfragen, ohne in Besserwisserei zu verfallen.
Was braucht ein herausragender Artikel?
Menschen, die eine wichtige und interessante Perspektive auf ein Thema bieten. Und die Fähigkeit, auch komplizierte Zusammenhänge so darzulegen, dass man sie versteht.
Was erwarten Sie von der Preisverleihung?
Vielleicht ja doch ein persönliches Treffen mit herausragenden Journalistinnen und Journalisten. In jedem Fall ist es eine große Freude und Ehre, dabei sein zu können.