Fabian Federl
Kurzbiographie des Nominierten in der Kategorie Reportage 2021
1987 als Sohn eines Bayern und einer Französin in München geboren, lebt und arbeitet als freier Autor in Berlin und Rio de Janeiro. Er hat in Tübingen, Berlin, Porto Alegre und Madrid studiert, beim Tagesspiegel volontiert, und war später Redakteur bei Zeit Online. Seit 2018 arbeitet er als freier Autor für verschiedene Magazine, darunter SZ-Magazin, Zeit Magazin, Brand Eins und Stern in Deutschland, Das Magazin, Reportagen und NZZ am Sonntag Magazin in der Schweiz, Profil und Datum in Österreich. Seine Reportagen sind übersetzt auf 12 Sprachen erschienen, darunter in Smithsonian Magazine in den USA, Society in Frankreich, El País in Spanien, La Repubblica in Italien und Aftenposten in Norwegen. Er arbeitet vor allem, aber nicht ausschließlich, an Themen in Lateinamerika und der iberischen Halbinsel. Oft drehen sich seine Themen rund um die Themen Ökologie, Natur und die Ambivalenzen, die entstehen, wenn der Mensch eingreift.
Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Die Idee kam über die Fotografin Kristin Bethge, mit der ich regelmäßig zusammen arbeite. Wir sprechen oft über Ideen und schauen, ob wir einen Weg finden, diese Geschichten gemeinsam umzusetzen. Für mich, als freien Autoren ohne Anbindung an eine Redaktion, ist es schöner, eine Geschichte von vorne rein sowohl textlich als auch visuell zu planen. Das hilft einerseits einer Redaktion eine Geschichte auch visuell schmackhaft zu machen, andererseits sind längere Recherchen meiner Erfahrung nach ertragreicher, wenn man sie gemeinsam macht – und natürlich weniger einsam.
Ursprünglich war die Geschichte ganz anders geplant. Bei der Vorrecherche las ich von “Moderner Sklaverei” auf Beerenplantagen in Portugal, unter anderem in der Deutschen Welle und in den portugiesischen Zeitungen Público und Expresso. Ich dachte also am Tag der Abreise: Wir reisen jetzt nach Portugal und dokumentieren einen Missstand, der uns, und unsere Einkäufe in unseren Supermärkten, betrifft. Das kam natürlich dann ganz anders.
Wir sprachen vor Ort mit Sozialarbeiterinnen, einer Kindergärtnerin und bekamen nur lächelnde Gesichter und frohe Geschichten. Wir sprachen mehr als ein Dutzend Pflücker auf der Straße an, alle erzählten uns, wie zufrieden sie mit der Arbeit seien. Wir trafen Sujan in einem Überlandbus auf dem Weg nach São Teotónio, und er sprudelte vor Freude, endlich diesen Job anfangen zu können. Es gab Abende, in denen wir ein Debriefing in unserer Unterkunft machten und verzweifelt waren, dass diese Geschichte eine Katastrophe sei, wir hatten kein Material und keiner bestätigte unsere Hypothese. Bis wir irgendwann akzeptieren mussten, dass nicht Material fehlt, sondern unser Dreh falsch ist.
Als wir anfingen, anders über die Beerenindustrie vor Ort nachzudenken, machte alles plötzlich Sinn. Es war ein “Deal”. Sujan nutzte das Wort mehrfach. Eigentlich hat unser Protagonist die Geschichte vor unseren Augen entwickelt, während wir noch immer an der Idee festhielten, eine Geschichte von Ausbeutung zu erzählen. Die ist es am Ende zwar auch, aber eben ganz anders, indirekter, aber auch menschlicher, und ambivalenter als wir es uns zurecht gelegt hatten.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Für mich war diese Recherche einzigartig, da wir weder einen Abnehmer für die Geschichte hatten, noch einen Ansprechpartner vor Ort. Normalerweise gehe ich vorbereitet in eine Recherche: Ich weiß, mit wem ich wann sprechen will, was für eine Rolle in der Geschichte die Person spielt. Im Laufe der Recherche ändert sich natürlich nochmal alles, aber zumindest eine Grundidee ist da. Zudem gibt es die Absprachen mit der Redaktion, zum Dreh, zu Präferenzen, zu administrativen Dingen wie Recherchezeit.
Von wem und/oder wie wurden Sie dabei unterstützt?
Kristin Bethge und ich hatten zudem keine Unterstützung, ganz im Gegenteil, keiner der 50 Beerenproduzent wollte mit uns sprechen, außer Summer Berry Company, die wir besucht haben und im Text zitiert sind. Nach einigen unbeantworteten Emails klingelten wir bei Driscoll’s Hauptquartier, wurden reingelassen und dann wieder weggeschickt, weil der Chef im Urlaub sei. Auf Emails wurde nicht reagiert, wir wurden in die Niederlande verwiesen, wo der Pressesprecher für Driscoll’s Europa sitzt. Wir gingen ins Büro des Fachverbands der Beerenpflücker, wurden auch da weggeschickt und auf Emails und Anrufe wurde nicht mehr reagiert. Wir versuchten mit den Produzenten über Sozialarbeiter und über die Pflücker Kontakt aufzunehmen und erhielten keine Antwort. Dieses Blocken hat scheinbar System: Einige Monate nach Erscheinen unseres Textes, erschien ein Text über São Teotónio in Al Jazeera English. Auch die Journalistin sprach mit Summer Berry Company, und keinem anderen Produzenten.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Einen Grund. Ich will lesen können, wieso eine Journalistin eine Geschichte recherchiert hat. Das ist bei den “Panama Papers” oder der Weinstein-Enthüllung relativ klar zu erkennen. Schwierig wird es bei sogenannten “seichten” Themen, oder Alltäglichem. Aber gerade das lese ich am liebsten. Herbert Riehl-Heyse “Das Playmate vom Hasenbergl” (1984), etwa, ein Porträt des ersten deutschen Playmates, Uschi Buchfellner, bei dem man ebensoviel über Deutschlands Medienkonsumverhalten lernt, wie über Buchfellner selbst. Oder John McPhee “Oranges” (1966), der es schafft über zehntausende Wörter eine Kulturgeschichte der Orange zu schreiben und einen im Text hält, ohne Tricks und falsche Versprechen – man merkt mit jedem Absatz, wie fasziniert der Autor vom Thema ist und das springt über.
Was erwarten Sie von der Preisverleihung?
Ich bin vollkommen erwartungslos und freue mich gerade deshalb.