Fabian Huber
Kurzbiographie des Nominierten in der Kategorie Bestes lokales Stück 2021
Geboren 1996 in Ingolstadt. Erste journalistische Schritte in der Eishockey-Berichterstattung (macht er heute noch immer nebenbei). 2015-2019: Studium Bachelor Journalistik mit Schwerpunkt Politik und Gesellschaft an der Katholischen Universität Eichstätt und der Catholic University of America in Washington D.C. Seit 2019: Studium Master Internationale Beziehungen an der KU Eichstätt-Ingolstadt. Praktika u.a. im Wirtschaftsressort der ZEIT und dem Stadtviertelressort der Süddeutschen Zeitung, von September bis Dezember 2021 dann im Auslandsressort des stern. Arbeitet aktuell als freier Journalist in Bayern, v.a. für die Seite Drei der Augsburger Allgemeinen. Themenschwerpunkte: lange Reportagen, manchmal auch investigativ.
Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Ich bekam einen Anruf aus der Redaktion. Es war ein Mittwochmittag. Ob ich nicht am nächsten Tag zu einer Gerichtsverhandlung nach Würzburg fahren und eine ganzseitige Reportage für die Freitagsausgabe schreiben könne. Von dem Fall hatte ich bereits gehört. Ein 92-Jähriger hatte seine Frau nach fast 70 Jahren Ehe erstickt und wollte sich im Anschluss selbst umbringen. Sie: schwerdement, erkannte ihn kaum mehr. Er: mit der häuslichen Pflege überfordert, depressiv. Das Paar hatte sich versprochen: Wenn wir sterben, dann gemeinsam.
Ein ähnliches Thema lag bereits ein paar Jahre zuvor auf meinem Schreibtisch. Damals war es Fiktion, eine „Tatort“-Kritik, jetzt ging es um die traurige Realität. Dank der früheren Recherche hatte ich noch den ein oder anderen Anknüpfungspunkt. Offizielle Zahlen zu Tötungsdelikten in der häuslichen Pflege gab es noch immer nicht. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigte aber: Solche Fälle beschäftigen deutsche Gerichte immer wieder. Ich sprach mit Pflegeberaterinnen, die an ihren Nottelefonen täglich mit der Ausweglosigkeit, der Leere, auch der Gewalt pflegender Angehöriger konfrontiert werden, um die Beweggründe des alten Mannes zu verstehen. Spätabends telefonierte ich noch lange mit seinem Anwalt, der mir Verhandlungsdetails und einen Einblick in das Leben seines Mandanten gewährte. Am frühen nächsten Morgen ging es dann nach Würzburg.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Eigentlich waren es zwei Kernherausforderungen. Da war, ganz banal, der Zeitdruck. Gerechnet wurde mit einem Verhandlungsende zur frühen Mittagsstunde. Die Redaktion wollte den Text gegen 15.30 Uhr. Das gab mir einen erträglichen Puffer, um aus der vorformulierten Recherche des Vortags und den Eindrücken vor Gericht eine stringente Seite-Drei-Reportage zu formen. Es kam dann anders. Der Gerichtstermin zog sich bis 14 Uhr. Die Lüftungspausen zwischendrin nutzte ich immer wieder zum Schreiben auf dem Foyerboden des Landgerichts.
Die zweite Hürde: der richtige Tonfall. Auf der einen Seite dieses rührselige Versprechen zweier Eheleute, das Motiv der Liebe, die offensichtlichen Grenzen des Machbaren für einen 92-Jährigen, für den eine Gefängnisstrafe wohl den Tod hinter Gittern bedeutet hätte. Schon die U-Haft hatte ihm enorm zugesetzt. Andererseits wurde einem Menschen das Leben genommen, was nach Gesetz bestraft werden musste. In dieser Gemengelage die Balance zu finden – zwischen der nötigen journalistischen Distanz und einer angemessenen Emotionalität, um diese Geschichte detailliert nachzuerzählen – war nicht leicht.
Von wem und/oder wie wurden Sie dabei unterstützt?
Zunächst einmal von meinem Ressortleiter Andreas Frei. Ich war zuvor genau einmal als Gerichtsreporter im Einsatz gewesen. Dennoch vertraute er mir diese Geschichte an – und sah meinen Namen dann am Produktionstag wahrscheinlich öfter auf seinem Handydisplay als ihm lieb war. Die ein oder andere Stresszigarette war aber sicher auch hilfreich.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Kritisch zu hinterfragen, ohne dass es zum Selbstzweck verkommt. Die schwer greifbaren Dinge des Lebens plastisch zu machen, ohne allzu plakativ zu werden. Nah dran, aber nie dabei zu sein.
Was braucht ein herausragender Artikel?
Einen guten Einstieg. Zumindest brauche ich das für mich selbst und mein Schreibgefühl. Wenn die ersten 50 Zeilen wirken und in das Thema einführen, schreiben sich die letzten 250 um Einiges leichter. Und ich glaube, auch für den Leser ist das wichtig. Ob man ihn sanft hineinrutschen lässt oder vom Zehn-Meter-Turm stößt – beides funktioniert meiner Meinung nach. Ansonsten: Lebendigkeit, sorgfältige Recherche und ein packendes Thema oder zumindest einen individuellen Dreh.
Was erwarten Sie von der Preisverleihung?
Ich freue mich auf einen launigen Abend mit tollen Kolleginnen und Kollegen aus ganz Deutschland. Und hoffentlich einen kurzen Plausch mit Nikolaus Blome – samt Versprechen, dass er sich bald wieder mit Jakob Augstein auf Phoenix über „Cordjacken-Konservatismus“ und Alexis Sorbas streiten wird.