Angela Boll

Kurzbiographie der Nominierten in der Kategorie Bestes lokales Stück 2022

Angela Boll, Jahrgang 1977, wollte ursprünglich Lehrerin werden und studierte Grund- und Hauptschulpädagogik an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg. Während ihres Studiums jobbte sie beim Hessischen Rundfunk. Als ihr eine Presseeinladung in die Hände fiel, die beim HR niemand wahrnehmen konnte, nutzte sie die Gelegenheit, führte das Interview und bot es dem „Mannheimer Morgen“ an. Sie bekam weitere Aufträge und schließlich die Anfrage, ob sie nicht ein Volontariat beim „MM“ beginnen wolle. Nach abgeschlossenem Studium nahm sie das Angebot an. Seit 2000 ist sie festes Redaktionsmitglied in der Lokalredaktion, zunächst als Polizeireporterin, dann als Gerichtsreporterin. Freiräume nutzt sie immer für lokale Geschichten weit ab von Verbrechen und Justiz. 2017 entwickelte sie für den „MM“ die Serie „Äfach de Beschde“. Mannheimer Bürger durften dafür ihre Herzensmenschen nominieren.

Seit 2020 ist Angela Boll Host und verantwortliche Redakteurin des Podcasts „Verbrechen im Quadrat“, dem erfolgreichsten Digital-Projekt des „MM“. Nebenberuflich engagiert sie sich über die BG3000 GmbH in Schulen als Referentin zum Thema „Journalismus im digitalen Zeitalter“. Angela Boll ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Angela Boll
privat

Im Interview

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?

Die Idee, diese Geschichte aufzuschreiben, reifte in einem langen Prozess, der sich über Monate hinzog. Der 88-Jährige war im Januar 2021 gestorben, in der schlimmsten Welle der Pandemie in Deutschland. Die Menschen, gerade diejenigen, die in Pflegeheimen oder in Krankenhäusern arbeiteten, erlebte ich damals wie Getriebene im Funktionsmodus, gelähmt durch Vorschriften, zu sehr im Stress, um die Erfahrungen wirken zu lassen, geschweige denn verarbeiten zu können. Als im Herbst 2021 eine neue Welle Deutschland ergriff, erinnerte ich mich an die vielen Begegnungen von damals und beobachtete, dass immer mehr Menschen auf die Straßen gingen, um sich gegen die Einschränkungen durch die Pandemie aufzubäumen. Im Totenmonat November, wenn wir auch im Lokalteil das Totengedenken aufgreifen, dachte ich an diesen Fall. Mir fiel der Pfarrer ein, der damals von diesem Erlebnis gepredigt hatte - tief getröstet von der Gewissheit, dass er trotz aller Einschränkungen einem sterbenden Infizierten und tiefgläubigen Menschen die Krankensalbung erteilen konnte. Und ich sprach mit der Heimleiterin, die das zugelassen hatte. Wir waren uns bald einig, dass es ein guter Zeitpunkt war, dieses Beispiel der menschlichen Nähe in Zeiten des Abstandgebotes öffentlich zu machen. Anonym, denn es waren Grenzen überschritten worden. Die Geschichte eines Einzelnen sollte sinnbildlich sein für das Sterben in der Pandemie und das Abschiednehmen unter Bedingungen, die nicht nur die Angehörigen verzweifelt zurücklässt.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?

Die größte Herausforderung war, mich kurz zu fassen. In den langen Gesprächen habe ich gespürt, wie viele Emotionen in der Geschichte stecken. Wie viel jeder Einzelne zu sagen hat und wie wichtig diese Stimmen sind – gerade in dem Klima, das die Gesellschaft zu spalten drohte. Zugleich sollte der Bericht „frühstückstauglich“ bleiben, ein Stück, das unsere Leser gern und schnell lesen können. Ich entschied mich trotzdem, dass auch die Vorgeschichte eine Rolle spielen muss, all die Einschränkungen, die sowohl der 88-Jährige, aber auch die Verwandten sowie die Angestellten des Pflegeheims aushalten mussten. Der Tag, an dem der Mann starb, war das Ende eines langen Pandemie-Ertragens und alle, die zu Wort kommen, waren diesen Weg mit dem Mann gegangen. Fast bis zum Schluss.

Wie wurden Sie dabei unterstützt?

Alle Geschichten leben immer von den Menschen, die sie uns erzählen, die bereit sind, sich zu öffnen und uns Journalisten ihr Vertrauen schenken. Sie sind Unterstützung und Motivation für unseren Beruf.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?

Vielfalt – in der Art, wie wir Dinge beleuchten und niederschreiben.
Respekt – im Umgang mit den Menschen, über die wir berichten.
Sorgfalt – im Umgang mit den Informationen und Fakten, die uns erreichen.
Leidenschaft – für die besondere Möglichkeit, mit unseren Worten Menschen erreichen zu können.

Was braucht ein herausragender Artikel?

Wahrhaftigkeit.

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