Ingo Meyer

Kurzbiographie des Nominierten in der Kategorie Meinung 2022

Ingo Meyer, 1963 in Thüringen geboren, in Mecklenburg aufgewachsen. Abitur in Berlin, halbes Informatikstudium in Dresden. Buch-Expedient beim Verlag Volk & Welt. Studium der Anglistik und Germanistik in Berlin und Edinburgh. Danach freier Stadt- und Kulturberichterstatter für die Berliner Morgenpost und andere Blätter, Sachbuch- und Hörspiel-Autor. Zwischendurch drei Jahre nach Estland: die deutsche Sprache unterrichten. Derzeit freier Autor und Texter sowie Korrektor für den Berliner Verlag.

Ingo Meyer
Alles Andere

Im Interview

Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?

Anstoß für meine Beschäftigung mit dem Thema war ein Unwohlsein, das aus einer Diskrepanz zwischen Denken und Fühlen resultierte. Mein Kopf sagte: „Geschlechtersensible Sprache“ − das klingt nach einer guten Idee. Mein Bauch sagte: Moment, irgendwas stimmt hier nicht. Über Monate habe ich sowohl diese Sprachvariante selbst als auch die Debatte über sie verfolgt: in Zeitungen, Radio, Fernsehen und Internet. Ich habe Pro- und Contra-Argumente abgeklopft, Sprachwissenschaftler befragt, bergeweise Texte gefressen und dabei auch als Germanist noch einmal viel über Sprache gelernt.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?

Nicht zu verzweifeln. Argument und Gefühl zu trennen. Als mein Bauchgefühl den Kopf erreichte und sich in Wissen verwandelte, der Gegenposition ihre Wahrheit nicht einfach wegzunehmen, sondern sie Stück für Stück bis zu ihrem Kern zu hinterfragen − ohne dabei polemisch zu werden. Sehr schwierig war es, diesen Vorwurf zu hören: Wer sich gegen Gendersprache wendet, tritt für das Patriarchat ein. Das Hauptproblem in der Debatte scheint mir zu sein, dass ein komplexes, sprachliches Phänomen an vielen Stellen verkürzt und ideologisch betrachtet wird.

Wie wurden Sie dabei unterstützt?

Von engagierten Kollegen und Kolleginnen aus der Redaktion, von Interessierten, die mir Material zuschickten, von Fachexperten − und von Menschen mit sehr weitem Horizont, die mich immer wieder daran erinnerten, dass es mehr als eine Wahrheit gibt. Als Korrektor im Berliner Verlag bin ich täglich mit dem Thema beschäftigt, es wurde und wird in der Redaktion heftig darüber gestritten; mein Beitrag entstand auch als Teil dieser Debatte.

Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?

Guter Journalismus ist für mich faktenbasiert, unideologisch, neutral, dabei nicht haltungslos. Er nimmt seine Leser an die Hand, aber er bevormundet sie nicht. Er trennt das Wichtige vom Lärm, nichts ist ihm zu klein oder zu groß. Guter Journalismus ist − falls nötig − unerbittlich und dennoch verständnisvoll, wenn er die Fehler von Menschen aufzeigt. Er erklärt Zusammenhänge. Er bedient sich des wunderbaren Werkzeugs der Sprache, ohne sie mit eigenen Absichten zu korrumpieren.

Was braucht ein herausragender Artikel?

Wissen, Augenmaß, Eleganz.

Was erwarten Sie von der Preisverleihung?

Mein Wunsch wäre es, auf kluge, streitbare, sprachaffine Menschen zu treffen, mich mit den Nominierten und für die Preisträger zu freuen. Und mit dem einen oder der anderen ein Glas Wein zu trinken.

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