Peter Dausend
Kurzbiographie des Autors
Jahrgang 1963, hat eine Vorliebe für skurrile Orte. Als Seite-3-Redakteur der Welt erhielt der Saarländer 1998 ein Arthur-F-Burns-Stipendium – und ging zur Anchorage Daily News nach Alaska. Von dort führte ihn sein journalistischer Weg – seiner Ansicht nach zwingend – in die deutsche Parlamentsberichterstattung. Seit 2008 berichtet Dausend für die Wochenzeitung Die Zeit vor allem über solch außergewöhnliche Orte wie das Willy-Brandt-Haus (SPD) und den Bendlerblock (Verteidigung). Zusammen mit seiner Kollegin Elisabeth Niejahr veröffentlichte er 2015 das Buch „Operation Röschen – Das System von der Leyen“. Außerdem schreibt Dausend eine wöchentliche Kolumne in der Zeit. Sie trägt den originellen Titel Dausend.
Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Im Herbst 2017 sprachen wir im Rahmen einer Konferenz des ZEIT-Hauptstadtbüros darüber, wie wir diese sonderbare parlamentarische Zwischenwelt einfangen könnten, die sich nach der Bundestagswahl vor unseren Augen entfaltete: Ein neues Parlament würde sich bald konstituieren und auch schon tagen, aber eine neue Regierung war noch lange nicht in Sicht. Eine Regierungspartei, die SPD, wollte unbedingt stärkste Oppositionskraft werden, musste aber zunächst einmal weiter einer CDU-Kanzlerin dienen. Und: Mit der AFD würden Rechtspopulisten plötzlich die drittstärkste Fraktion in einem Sieben-Parteien-Parlament stellen. Ich fand das alles so interessant, dass ich spontan „Ich mach` den Willemsen“ in die Runde rief. Schon saß ich – ähnlich wie der Publizist und Moderator Roger Willemsen einieg Jahre zuvor – auf der Pressetribüne, von früh morgens bis spät nachts.
Bis zur Gründung der Jamaika-Koalition, so der Plan würde ich alle Bundestagssitzungen verfolgen und das Erlebte aufschreiben. Ich stellte mich auf vier, fünf Sitzungstage ein. Dann scheiterte Jamaika – und es wurden zwölf.
Neben der reinen Beobachtung führte ich zahlreiche Gespräche mit Abgeordneten aus allen Fraktionen, mit deren Mitarbeitern, aber auch mit Saaldienern und Stenografen. Dabei konzentrierte ich mich auf Parlamentarier, die schon länger im Bundestag sind, um ein Gespür dafür zu bekommen, wie sich die Atmosphäre im „Hohen Haus“ durch Einzug der AfD verändert hat.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie bei der Recherche?
Im Wesentlichen waren das zwei. Erstens: Wie gelingt es mir, dem Leser im Einstieg zu vermitteln, dass hier kein „gewöhnliches“ Parlaments-Feature folgt? Wo finde ich das Einzigartige in einem tausendfach beschriebenen Betrieb? Gibt es ein ungewöhnliches, a-typisches Ereignis, einen besonderen, aufsehenerregenden Moment oder eine parlamentarische Figur, die man stets übersieht, an der man aber etwas Besonderes festmachen kann? Mit dieser Frage habe ich mich lange rumgequält – bis ich auf den Stenografen kam, der im neuen Parlament zum Erdmännchen mutiert. Zweitens: Wie gehe ich mit seiner eigenen Wut um? Was ich in diesen Sitzungswochen bei der AfD beobachtet habe, hat mich selbst aufgewühlt: das permanente hämische Lachen, die Denunzierung von Mitgefühl, die Aggressivität, mit der eine Wand aus Männern ihre Ziele verfolgt. Nach 15 Jahren Parlamentsberichterstattung habe ich gespürt: Nicht nur im Bundestag ändert sich etwas grundlegend, sondern auch bei mir selbst. Die Herausforderung bestand – und besteht weiterhin – darin, sich von seiner inneren Aufwallung nicht leiten zu lassen. Und nüchtern zu beschreiben.
Von wem oder wie wurden Sie unterstützt?
Von der Bundestags-Caféteria. Ohne den Latte Macchiato aus dem Kaffeevollautomaten dieser wunderbaren Einrichtung hätte ich die Sitzungs-Marathons kaum überstanden.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Ehrlichkeit. Das Bemühen, allem und jedem möglichst unvoreingenommen zu begegnen. Zu schreiben, was man sieht und nicht das, was sich besser liest. Sich selbst nie wichtiger zu nehmen als den Gegenstand seiner Beobachtung.
Was braucht ein herausragender Artikel?
Das weiß ich nicht, sonst würde ich ja ausschließlich herausragende Artikel schreiben.
Was erwarten Sie von der Preisverleihung am 26. Juni in Berlin?
Dass es am späteren Abend nicht über mich heißt: „Der da war übrigens auch nominiert.“