Tina Kaiser
Kurzbiographie der Autorin
Jahrgang 1978, ist Absolventin der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft und Diplom-Volkwirtin. Seit 2005 arbeitet sie für die WELT-Gruppe, anfangs als Wirtschaftsreporterin, ab 2008 war sie Korrespondentin in London, anschließend wechselte sie 2013 als Korrespondentin nach New York. Seit 2016 ist sie zurück in Berlin und Reporterin im Ressorts Reportage und Investigation.
Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Die Idee entstand mit der Frage meines Ressortleiters Manuel Bewarder: Wie kommt einer wie Wolfgang Bosbach damit klar, kein Amt mehr zu haben? Ausgerechnet Bosbach, der es in 23 Jahren als einfacher Bundestagsabgeordneter zu einer größeren Bekanntheit als mancher Minister gebracht hatte und an keinem Mikro kommentarlos vorbeigehen konnte. Eine Karriere zu beenden ist für die meisten Menschen eine der schwierigsten Aufgaben ihres Lebens. Was würde das erst für jemanden wie Bosbach bedeuten: das Gefühl, nicht mehr gefragt zu sein. Um das herauszufinden, habe ich Wolfgang Bosbach von August 2017 bis August 2018 auf etwa ein Dutzend Terminen begleitet, ihn zu persönlichen Gesprächen getroffen, dazu gab es Telefonate, SMS-Chats und E-Mails. Mindestens ebenso wichtig waren aber Gespräche mit Familienmitgliedern, Freunden und Feinden. Einige von ihnen kommen in meinem Artikel ausführlich zu Wort.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Im Pressearchiv gibt es so viele Artikel über Bosbach, dass man das Bosbach-Porträt fast zu einer eigenen Textgattung erklären könnte. Meine größte Herausforderung war: etwas Eigenes zu erzählen. Ich wollte es schaffen, Bosbach so zu zeigen, wie man ihn bisher nicht gesehen hatte.
Wie wurden Sie unterstützt?
Es war von Anfang an klar, dass es nur mit viel Recherche, mit vielen Gesprächen möglich sein würde, hinter die Fassade des Show-Bosbachs zu gucken und dem Menschen Wolfgang Bosbach nahe zu kommen. Zumal ich eine Frage beantworten wollte, deren Antwort zu Beginn der Recherche nicht einmal Bosbach selbst kannte: Wie wird er den Ruhestand verkraften? Meine Ressortleitung hat mich enorm bei diesem Projekt unterstützt und klaglos hingenommen, dass es viel länger dauerte als ich ursprünglich geplant hatte. Mein allerwichtigster Unterstützer war allerdings mein Lebensgefährte, der nicht nur phantastisch aussieht, sondern auch mein härtester Kritiker ist. Für die zahllosen Stunden, in denen er mit mir (nicht immer klaglos) über Wolfgang Bosbach diskutieren musste, hätte er eigentlich einen eigenen Preis verdient.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus? Was braucht ein herausragender Artikel?
In guten Artikeln steckt viel harte Arbeit und manchmal auch Verzweiflung. Den herausragenden Texten merkt man diese Qual später nicht an.
Was erwarten Sie von der Preisverleihung am 26. Juni in Berlin?
Gut wäre: nicht vor Aufregung in die Spree fallen. Alles andere ist dann Kür.