Jan Georg Plavec, Jan Sellner und Team
Kurzbiographie der Nominierten in der Kategorie Bestes lokales Digitalprojekt 2022
Dr. Jan Georg Plavec, Jahrgang 1984, ist Leitender Redakteur für Datenjournalismus bei Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten. In dieser Funktion verantwortet er Daten- und Digitalprojekte, die unter anderem mit dem Wächterpreis der Tagespresse, dem Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Ralf-Dahrendorf-Preis ausgezeichnet wurden. Teil der Redaktion ist Plavec seit seinem Volontariat 2011/12, anschließend war er Onlineredakteur und Mitglied im Ressort Multimediale Reportage. 2004 bis 2010 studierte er Kommunikationswissenschaft an der Uni Hohenheim 2014 bis 2020 promovierte er berufsbegleitend zur EU-Kommunikationskultur an der FU Berlin.
Jan Sellner, Jahrgang 1965, leitet seit 2015 das gemeinsame Lokalressort von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten. Zuvor arbeitete er in den Ressorts Landesnachrichten und Politik und war Korrespondent in München, wo er Politische Wissenschaften, Neuere Geschichte und Philosophie studierte. Er ist an der Konzeption verschiedener Serien und Produkte beteiligt. 2009 entwickelte er die preisgekrönte tägliche Dialektspalte „Auf gut Schwäbisch“ der Stuttgarter Nachrichten, die er seitdem betreut. Außerdem ist er 1. Vorsitzender der Aktion Weihnachten, der Benefizaktion der Stuttgarter Nachrichten.
Christian Frommeld, Jahrgang 1984, arbeitet seit 2011 als Full-Stack-Webentwickler. Nach ersten Berufserfahrungen bei der Platis GmbH kam er 2016 zu MHS Digital und wirkt dort seither an diversen multimedialen und datenjournalistischen Projekten mit. Sein Interesse gilt besonders der Verarbeitung und Visualisierung komplexer Daten, die einem breiten Publikum auf anschauliche Art und Weise auf diversen Endgeräten zur Verfügung gestellt werden sollen.
Kimberly Nicolaus, Jahrgang 1997, hat Crossmedia-Redaktion an der Hochschule der Medien in Stuttgart studiert, nebenbei für die Stuttgarter Zeitung geschrieben und die Datenprojekte „Stuttgart 1942“ und „Crime Map“ unterstützt. Nach einem Auslandssemester in International Journalism an der Hogeschool van Amsterdam absolvierte sie ein internationales Masterstudium in Journalism, Media, and Globalization mit dem Schwerpunkt Datenjournalismus an der Danish School of Media and Journalism in Aarhus und an der University of Amsterdam. Ihre Masterarbeit schreibt sie über die Wirkung von Emotionen in Desinformation und als Projektmitarbeiterin der Jugendpresse Deutschland leitet sie regelmäßig Redaktionsprojekte für junge Medienmachende.
Simon Uhl, geboren 1997 in Stuttgart, veröffentlichte 2013 seine ersten Artikel bei den Stuttgarter Nachrichten. Schon damals lag der Schwerpunkt seiner Artikel auf neuen Technologien, was sich bis heute durchzieht. Nach einem Bachelor in Journalismus hat er seine Heimat verlassen und ist für einen Masterabschluss nach Hamburg gezogen. Parallel zum Studium schreibt und filmt er als freier Journalist. Während die Themen dabei stark variieren, bleibt immer ein Fokus auf Daten, Technik und wie sich damit Storys neu erzählen lassen.
Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Der Fotobestand, den das Projekt verwertet hat, war quasi ein Zufallsfund. Nach erster Sichtung der Bilder war klar, dass diese 12.000 Fotos ein einzigartiges Zeitzeugnis sind – nicht nur das erste „Street View“ der Welt, sondern auch ein für heutige Betrachter unendlich wertvolles Dokument des (öffentlichen) Alltags in einer deutschen Großstadt vor 80 Jahren, der unserem Alltag zwischen Pandemie und Krieg in Osteuropa gar nicht so unähnlich war.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Sowohl für die Recherche als auch für unsere Leserinnen und Leser mussten wir den Bestand erst zugänglich machen – er war ja lediglich auf Papierlisten verzeichnet. Die digitalisierten Listen und Bilder haben wir zunächst in einem halbautomatisierten Verfahren aufwendig erschlossen und konnten so erst die Suchmaschine entwickeln. Anschließend mussten wir den Bestand systematisch sichten – 12.000 Fotos aufmerksam durchzusehen braucht sehr viel Zeit – und die unzähligen sich aus den Bildern ergebenden Ansatzpunkte und Fragestellungen sortieren.
Dafür mussten wir wegen der überwältigenden Menge der Bilder einen klaren Fokus definieren: Was wollen wir diesen Fotos entlocken? Welche Stolperfallen gilt es zu vermeiden? Wir haben uns entschieden, nicht bloß Steine und Stadtbild zu zeigen, wollten aber auch eine andere Erzählung dieser Zeit finden als klassische Geschichtsbücher. Wir haben vor allem hinter die Kulissen dieses wohl nur vermeintlich „normalen“ Alltags geblickt. Der Spagat in der Berichterstattung zwischen der teils banalen Alltagsgeschichte und dem Grauen dieser Zeit war manchmal schwierig, ist aber offenbar gelungen. „Stuttgart 1942“ dokumentiert die bislang nur sehr selten thematisierten Lebensumstände im „Dritten Reich“ zu der Zeit, als der Zweite Weltkrieg verloren ging. Es wurde zum LeserInnenprojekt und gab der letzten noch lebenden ZeitzeugInnengeneration eine Stimme – und hält das Leben in einer deutschen Großstadt vor 80 Jahren in Bild und Text fest.
Wie wurden Sie dabei unterstützt?
Unser Projektpartner, das Stadtarchiv Stuttgart, hat uns bei der Recherche und Umsetzung fachkundig unterstützt und uns geholfen, dem Projekt die nötige fachliche Tiefe zu geben. Der Dank gebührt auch den viele Autorinnen und Autoren sowie unseren LeserInnen, die das Projekt mit ihren Beiträgen und Geschichten so vielfältig gemacht haben.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Guter Journalismus bewegt die Menschen, ohne irgendjemand nach dem Maul zu reden. Er stimuliert nicht nur intellektuell, sondern man fühlt etwas dabei – als LeserIn, aber auch als AutorIn. Sich in einen Gegenstand tief hineindenken zu können, ihn wirklich zu durchdringen und zu fühlen, hilft dabei enorm.
Was braucht ein herausragender Artikel?
Das richtige Publikum.
Was erwarten Sie von der Preisverleihung?
Nach mehr als zwei Jahren Pandemie freuen wir uns, wieder „live“ mit vielen tollen KollegInnen sowie nicht zuletzt mit dem Kernteam von „Stuttgart 1942“ zusammenzukommen und zu feiern.