Cathrin Kahlweit
Kurzbiographie der Nominierten in der Kategorie Thema des Jahres 2023
Cathrin Kahlweit, Jahrgang 1959, hat auf zwei Kontinenten in drei Ländern Russisch und Politik studiert und dann über einige Umwege und die Hamburger Journalisten-Schule 1989 bei der Süddeutschen Zeitung angedockt. Dort arbeitet sie seit mehr als drei Jahrzehnten überwiegend in der Außenpolitik, davon seit dreizehn Jahren als Auslandskorrespondentin; Spezialgebiet und Seelenlandschaft: Mittel- und Osteuropa. Sie hat drei Kinder großgezogen und eine Handvoll Bücher geschrieben, darunter „Architekten des Umbruchs“ (1993), Damenwahl (1994) und, gemeinsam mit ihrem Mann, Pubertäter (2011).
Im Interview
Wie entstand die Idee zu Ihrem Beitrag und wie haben Sie recherchiert?
Die russische Armee hatte sich erst Wochen zuvor aus dem Nordwesten der Ukraine zurückgezogen, als ich in einigen Medien kurze Berichte darüber las, dass die Besatzer alle Bewohner eines Dorfes in einen einzigen Keller gesperrt und terrorisiert hatten. Ich bin von Kiew aus nach Jahidne gefahren, weil ich lernen, verstehen, sehen, hören, schmecken, riechen und davon erzählen wollte, wie das ist: vier Wochen ohne Licht und Luft, immer in Todesangst.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie dabei?
Reisen in ein Kriegsgebiet sind immer ein Risiko. Die Ukrainer müssen Luftangriffe, Nächte in Bunkern und U-Bahn-Stationen, Tage ohne Strom und Heizung seit vielen Monaten ertragen, das gehört natürlich auch für Berichterstatterinnen und Berichterstatter dazu. In Jahidne selbst war ich eher erstaunt über die Bereitschaft der Menschen, von der höllischen Zeit in dem Keller zu berichten – als müssten sie das Trauma dadurch verarbeiten, dass sie der Welt davon erzählen.
Wie wurden Sie unterstützt?
Ich war mit einem großartigen jungen Mann, Fedir Petrov, unterwegs, der auch die tollen Fotos gemacht und mir beim Übersetzen geholfen hat, wenn mein Russisch nicht reichte.
Was macht für Sie persönlich guten Journalismus aus?
Zuhören, Schwingungen spüren, Menschen ernst nehmen, aber sie nicht ausstellen. Den Nachrichtenwert nicht über die Geschichte stellen. Trotz vieler Routinen und Zumutungen offen, neugierig, fantasievoll, unvoreingenommen bleiben.
Was braucht ein herausragender Artikel?
Zugewandtheit, intellektuelle und sprachliche Präzision, Stringenz, Originalität und, wo möglich, immer auch eine Prise Humor.
Was erwarten Sie von der Preisverleihung?
Ich bin seit vielen Jahren in diesem Beruf und lasse mich immer noch gern überraschen.